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Risikogruppe Knastbruder

Insassen der JVA Glasmoor wurde das Blutspenden für Erdbebenopfer in der Türkei verweigert. DRK verweist auf Patientenschutz  ■ Von Eberhard Spohd

Über 20 türkische Insassen der Justizvollzugsanstalt Glasmoor wollten die vom Erdbeben bei Izmit betroffenen Landsleute unterstützen. In Absprache mit und ausdrücklich befürwortet von der Anstaltsleitung wandten sie sich an das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Johanniter Unfallhilfe und den Arbeiter Samariter Bund (ASB). Blut für die Opfer wollten sie spenden. Allein die Hilfsorganisationen lehnten dies ab: Zu groß sei das Risiko, dass die Spenden Hepatitis-Erreger oder Aids-Viren enthielten.

„Zehn von uns arbeiten in der Knastküche und werden regelmäßig vom Krankenrevier der Anstalt untersucht“, empört sich Adil Ygid aus dem Norderstedter Knast. Einer von ihnen habe bei dem Erdbeben seine Schwester verloren, ein anderer seine Tante. Alle leiden an der Ohnmacht, nicht helfen zu können, wo in der Heimat eine solche Katastrophe passiert sei.

Bernd Edelhoff versteht den Unmut der Insassen durchaus. „Natürlich ist mir klar“, erklärte der Pressesprecher des Hamburger Roten Kreuzes, „dass die Situation für die Häftlinge aus deren Sicht außerordentlich bedauerlich ist. Helfen zu wollen und es doch nicht zu dürfen ist nicht schön.“ Aber im Moment würden in der Türkei ohnehin keine Blutspenden benötigt.

„Zum anderen schließen die Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion, herausgegeben von der Bundesärztekammer, Inhaftierte ohnehin davon aus, zu spenden“, begründete Edelhoff die Maßnahme für das DRK. Es gibt mehrere Gründe, Transfusionswilligen zu verweigern, sich ihr Blut abzapfen zu lassen. So gebe es eine Altersbeschränkung ebenso wie den Ausschluss von in Malariagebieten Geborenen. Von solchen Maßnahmen könne es keine Ausnahme geben, auch wenn „das DRK akzeptieren muss, dass manch ein Williger sich dadurch gedemütigt fühlt“.

Susanne Stöcker von der Öffentlichkeitsarbeit des Paul-Ehrlich-Institutes, das bei der Entwicklung der Richtlinien mitgearbeitet hat, verwies indes darauf, dass diese nicht rechtlich bindend seien. Wer wolle, könne in der Tat auch Blutspenden von Gefangenen akzeptieren. Das weiß zwar auch Bernd Edelhoff, wirbt aber für Verständnis: „In erster Linie müssen wir die Patienten schützen.“ Und wenn doch durch infizierte Konserven etwas passiert, „würden wir an der nächsten Laterne baumeln“. Darum apellierte er an alle Spendewilligen, sich auch ihrer eigenen Verantwortung bewusst zu sein: „Aus diesem Grund sind auch unsere Fragebögen so indiskret.“

Die Insassen von Glasmoor haben in der Zwischenzeit einen eigenen Weg gefunden, ihren Landsleuten doch noch etwas Gutes zu tun, ohne mit den Hilfsorganistionen zusammenarbeiten zu müssen. Sie sammelten von ihrem Hausgeld – dem Lohn, den sie für ihre Arbeit bekommen – 1500 Mark. Allerdings stellten sie die Summe weder dem DRK, noch dem ASB, noch den Johannitern zur Verfügung. Statt dessen überwiesen sie die Summe an Medico international.

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