: „In dieser Vielzahl deprimierend“
■ Friedhelm Farthmann, lange Jahre SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, über den Kölner Klüngel, Machtarroganz und einen Ausweg aus dem Sumpf
taz: Herr Farthmann, fällt Ihnen zu Klaus Heugel noch etwas ein?
Friedhelm Farthmann: Heugel war ein engagierter und gewiefter Politiker, der gewusst hat, was die Stunde in der modernen Politik in taktischer Hinsicht geschlagen hat. Insofern war er ein bewährter Stratege. Er hat auch immer eine politische Linie vertreten, wie ich sie für richtig gehalten habe. Dass ihm dann so etwas passiert, habe ich nicht erwartet und ist für mich auch unverständlich. Dass natürlich der Kölner Klüngel seine besonderen Gefahren barg, ist mir allerdings stets bewusst gewesen.
Nicht nur der Kölsche Klüngel hat seine Gefahren. Landauf, landab stecken zur Zeit Ihre Genossen in der Bredouille. Was ist los mit der nordrhein-westfälischen SPD?
Es gibt in der Tat im Augenblick eine Reihe von unglücklichen personellen Verfehlungen, die schnell verallgemeinert werden. Das darf aber nicht verallgemeinert werden. Verfehlungen hat es immer schon gegeben, aber in dieser Kompaktheit und in dieser Vielzahl, wie das im Augenblick ans Tageslicht gelangt, ist das schon deprimierend. Ich kann und will das nicht entschuldigen. Aber ich hoffe, dass das ein zufälliges Zusammentreffen von Einzelfällen ist, die nichts über den inneren Zustand der Partei insgesamt aussagen. Es wäre schade und bitter, wenn das ehrliche Bemühen von zehntausenden, die sich in ihrer Freizeit für diese Partei prügeln lassen, kaputtgemacht würde.
Ist die NRW-SPD vielleicht inzwischen einfach zu machtgewohnt?
Sicher, das ist uns ja schon häufiger vorgeworfen worden, und wir sind auch schon häufiger der Machtarroganz verdächtigt worden. Natürlich neigt jede politische Gruppierung dazu, die so fest im Sattel sitzt wie seit Jahrzehnten die sozialdemokratische Partei an Rhein und Ruhr.
Ich hoffe, dass die sozialdemokratische Partei jetzt in der Lage ist, die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Eine glaubwürdige Politik wird auf Dauer nur mit glaubwürdigen Politikern betrieben werden können – und nicht mit welchen, die zunächst an ihre Karriere und sonst nichts denken.
Was würden Sie nach diesem Desaster Ihren Kölner Genossen raten?
Das absehbare Wahlergebnis am 12. September würde ich nehmen wie Schnee und Regen. Da ist ohnehin nichts mehr dran zu ändern. Es gibt keine andere Lösung, als ganz einfach nach dem Motto zu verfahren: Der König ist tot, es lebe der König – wir fangen wieder neu an zu arbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen