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■  Die evangelische Kirche ist zum ersten Mal auf der Funkausstellung mit einem Stand vertreten und lockt mit Pfarrer Fliege und Talkrunden die Besucher. Programme stehen dabei im Vordergrund, weniger die neuesten Internet-Techniken zum Himmel

Mehrmals am Tag wird es in Halle 25 richtig laut. In die kreischende Atmosphäre aus Fernsehspots, Videos und digitalen Sounds der neuesten Hightech-Elektronik dröhnt eine Kirchenglocke. Für einen kurzen Moment verstummt dann das Publikum auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa). Das fremde Geräusch inmitten der Töne, Musikfetzen und Lautsprecheransagen gleicht einer Störung, mit der niemand gerechnet hat.

Der Gong ist das Markenzeichen am Stand der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf der Funkausstellung. Mit ihm rufen die kirchlichen Mitarbeiter die Messebesucher nicht zum Gottesdienst, aber zu Talks, Gesprächsrunden und Informationsveranstaltungen über ihre Produktionen in den Sendern. Dann kommt Leben an den kleinen Stand am Rande der großen Halle. Monitore flimmern, Stars wie Fernsehpfarrer Fliege und „Wort zum Sonntag“-Moderatoren erscheinen live und zum Anfassen: Gott ist gewissermaßen auf Sendung.

Die Protestanten sind – ebenso wie die Katholiken in Halle 15 – zum ersten Mal mit einem Messestand auf der 75. Internationalen Funkausstellung Berlin präsent. Klein und funktional stellen sie sich aus, ein wenig Webersche Ethik ist spürbar. Für Johanna Haberer, Rundfunkbeauftragte des Rates der EKD, bildet die Informationsbox darum auch „einen Gesprächsort“, um den Kontakt zu den Fernsehzuschauern zu suchen und die Kirche als Teil des Medienzeitalters begreifbar zu machen. Hier, so Haberer, werde „die Arbeit der Kirche in den Medien“ ebenso vorgestellt wie Sendungen im öffentlichen und privaten Rundfunk über soziale Themen, Gottesdienste, Glaubensfragen und die Kirche selbst. „Wir berichten über unsere Beiträge in der ARD und dem ZDF oder stellen den neuen Bonhoeffer-Film vor.“

Zugleich soll die Präsenz auf der Messe zeigen, dass die Kirchen nicht nur auf traditionelle Themenfelder spezialisiert sind oder Fachredaktionen trockene Bibelclips produzieren. „Religion kennt heute keine Programmgrenzen“, betont Haberer. In den Sendern würden Berichte über Konsumsucht, Prostitution oder Einblicke in Lebenssuche ebenso ausgestrahlt wie Reportagen aus den Gemeinden.

Dass der Stand in Halle 25 nicht zu besinnlichem Smalltalk taugt, ist die erste missliche Erfahrung der Kirchenfunkbeauftragten auf der Ifa. „Wir dachten, wir könnten hier in Ruhe reden, weil wir nicht Technik anbieten, sondern inhaltliche Schwerpunkte behandeln“, murrt Haberer. „Die lauten Geräusche stürmen auf die Mitarbeiter und Besucher ein.“ Konzentrierte Diskurse oder Gespräche seien schwer abzuhalten.

Dennoch habe sich gezeigt, dass die Veranstaltungen beim Publikum auf Interesse stießen. „Die Leute bleiben stehen, wenn wir Talkrunden abhalten.“ Das sei schon Erfolg genug, findet die Rundfunkkirchenfrau und lässt an der 100.000-Mark-Investition für den Messeauftritt keinen Zweifel aufkommen. Die Ifa sei eine Chance für die Kirche, auch wenn diese sich zu dem medialen Technikwahn auch in Zukunft abgrenzen müsse. „Anders sein“, nennt Haberer das.

Wenn in zwei Jahren die evangelische Kirche erneut auf der Ifa auftreten sollte, werde man darum mit einem noch „archaischeren Konzept“ einen Messestand entwickeln. Dies soll dann ein ruhiger, abgegrenzter Raum sein, aber keineswegs altmodisch. Haberer denkt da an so etwas wie den „fast esoterischen“ Stand von Sony: ein in Blau getauchter Raum, ganz eigen und abgehoben, fast wie im Himmel. Rolf Lautenschläger

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