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Ein Ex-General auf Ochsentour

Mit Jörg Schönbohm an der Spitze will die Brandenburger CDU die absolute Mehrheit des SPD-Landesvaters Stolpe brechen. Bei seiner Marathontour durch die Diaspora schlägt dem Kandidaten kühle Skepsis entgegen  ■   Von Dorothee Winden

Im Schaufenster von „Schuhmode Ziesicke“ im brandenburgischen Kyritz sind drei rot-weiße Lederbälle ausgestellt – signiert von CDU-Spitzenkandidat Jörg Schönbohm. Daneben klebt ein Aushang des lokalen Fußballvereins SV Rot-Weiß, in dem der Trainer die Spielaufstellung für das entscheidende nächste Spiel bekannt gibt. Es geht um den Aufstieg der Mannschaft.

Vor dem Schaufenster verlieren sich an diesem Morgen ein paar Kyritzer. Der CDU-Spitzenkandidat signiert – diesmal sein Buch „Zwei Armeen und ein Vaterland“. Darin hat der 63-Jährige Drei-Sterne-General seine Erfahrungen bei der Auflösung der Nationalen Volksarmee festgehalten. Im Wahlkampf kommt Schönbohm das Buch nun gut zupass, um auf seine „Ost-Erfahrung“ zu verweisen. Denn was will ein westdeutscher Ex-General, der es zum Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium brachte und zuletzt Berliner Innensenator war, bloß in der brandenburgischen Landespolitik?

Vor allem die lokalen CDU-Funktionäre stehen an diesem Morgen für ein Autogramm ihres Spitzenkandidaten an. Viel Zeit hat er nicht. Nach nur 20 Minuten hetzt Schönbohm zum nächsten Termin. Kaum ist er weg, baut die örtliche CDU den Stand ab.

Mit einer Marathontour durch 228 brandenburgische Städte und Dörfer versucht Schönbohm seit Januar wettzumachen, was die SPD als seinen Schwachpunkt herausstellt: Er kenne das Land und seine Probleme nicht. „Die heutige Wirklichkeit habe ich besser begriffen als manche SPD-Politiker, die nicht mehr die Offenheit und Neugier haben“, kontert Schönbohm. Gerne verweist er darauf, dass er gebürtiger Brandenburger ist: „Ich war sieben, als meine Mutter mit uns fliehen musste“, erzählt er einem Fernsehteam. Das war 1944. Als Bundeswehrgeneral durfte Schönbohm aus Sicherheitsgründen nicht in die DDR einreisen. „Ich habe immer dieser Heimat nachgetrauert“, sagt er.

Mit dem Slogan „Nicht reden – handeln!“ versucht der Kandidat Tatkraft zu versprühen. Sein Ziel: die absolute Mehrheit von Ministerpräsident Manfred Stolpe zu brechen. Was seine Rolle nach der Wahl betrifft, übt er sich in taktischer Bescheidenheit. Sein Wunsch sei, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen und Parteichef zu bleiben. „Aber es kann die Situation eintreten, dass ich ein Ministeramt übernehmen muss.“ Die CDU, die bei der letzten Wahl nur 18,7 Prozent erzielte, liegt in Umfragen derzeit zwischen 23 und 29 Prozent. Die Möglichkeit einer Großen Koalition ist nicht völlig ausgeschlossen.

Mit Law-and-order-Parolen wurde Schönbohm in Berlin bei der CDU-Wählerschaft schnell populär, als er 1996 Innensenator wurde. So leicht hat er es in Brandenburg nicht. Neulich in einem Einkaufscenter am Rande Berlins, erzählt Schönbohm, seien einige Berliner auf ihn zugekommen und hätten ihn begrüßt. Die Brandenburger hätten ihn aus der Distanz beobachtet und gesagt: „Guck mal, da ist Schönbohm.“

Margarete Raasch, seit der Wende CDU-Mitglied und als Mitglied der Senioren-Union zur Dampferfahrt „delegiert“, begegnet Schönbohm an diesem Tag zum ersten Mal. Wie sie ihn findet, darüber gibt sie ganz diplomatisch keine Auskunft. Nur so viel: „Er war Soldat. Vielleicht zieht er die Zügel etwas an. Das wäre nicht schlecht.“

Die SPD habe bei Versammlungen und Ständen mehr Zulauf, stellt Margarete Raasch fest. Bei der CDU sei es eher „mager“. Brandenburg ist für die CDU Diaspora. „Über die Brandenburger CDU hat man in Bonn früher nur gelacht“, sagt Schönbohms Pressesprecher. Schönbohm habe „Ordnung“ in den zerstrittenen Haufen gebracht. Jetzt vergeht kaum ein Tag ohne CDU-Bundesprominenz: Schäuble, Kohl, Süssmuth, Stoiber, Teufel. „Wir haben jetzt mehr Bundesprominenz als im Bundestagswahlkampf“, sagt Heinz Buß, der CDU-Vorsitzende von Neuruppin.

Für den Wahlkampfstand der CDU auf dem Neuruppiner Marktplatz interessiert sich allerdings in erster Linie ein Grüppchen linker Jugendlicher. Kaum sehen sie Schönbohm mit dem badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel über den Marktplatz flanieren, stimmen sie ein Trillerpfeifen-Konzert an. „Schönbohm, schön braun“, skandieren die milchgesichtigen Protestierer. Der lacht nur. So zahm ist der Protest, dass weder die Bodyguards nervös werden, noch die Polizei einschreitet.

Über dem Markplatz zieht ein Motorflugzeug seine Bahn, im Schlepptau flattert eine Banderole für ein Bündnis gegen rechts: „Alles außer rechts“.

„Bewirken kann man mit einem solchen Bündnis im Ergebnis gar nichts“, sagt Schönbohm. Wenn alle Parteien gegen die DVU Stellung bezögen, provoziere man damit möglicherweise eine Trotzreaktion. Man müsse vielmehr argumentieren, dass die Phantompartei DVU keine Problemlösungskompetenz habe, so Schönbohm. Eine entsprechende Argumentationshilfe ist vor einer Woche an die Kreisverbände verschickt worden.

Vor der Neuruppiner Kulturetage gelingt es Schönbohm, die Störer abzuschütteln. Knapp hundert Interessierte wollen die Rede des Spitzenkandidaten hören. Viele der Älteren wirken resigniert. Skeptisch lauschen sie Schönbohms Rede. Der attackiert zuerst die Bundesregierung, macht dann die Stolpe-Regierung für die gestiegene Arbeitslosigkeit verantwortlich. Als er zwei Beispiele zum Besten gibt, wie Unternehmer von der Bürokratie behindert werden, gibt es den ersten zögerlichen Beifall. Schönbohm streift die CDU-Wahlkampfthemen: Kopfnoten an den Schulen, kein Personalabbau bei der Polizei, ausbruchssichere Gefängnisse. Konzepte gegen die Arbeitslosigkeit hat er nicht. Die Rede zündet nicht so recht, der Beifall bleibt verhalten. Und die Blicke der Zuhörer sind immer noch skeptisch.

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