: Rente: Löhne minus Kindergeld
Neue Rentenformel nimmt Gestalt an. Finanzminister und Grüne wollen Altersgeld ab 2002 mit Löhnen anheben – die Steuervorteile für Familien aber abziehen ■ Von Christian Füller
Berlin (taz) – Die Rentenexpertin der Bundestagsgrünen war ziemlich leise. Katrin Göring-Eckardt, tags zuvor mit neuen Rentenplänen in allen Medien, musste sich von ihren Fraktionskollegen in Weimar taktisches Ungeschick vorhalten lassen. Die Umweltpolitiker waren sauer, weil ihre famosen Ideen in der Presse keine Chance gegen Göring-Eckardts Rentenvorschlag hatten. Und der Rest der 47 grünen Abgeordneten regte sich über die „Scheiß-Botschaft“ auf: Die Grünen machen Schluss mit der nettolohnbezogenen Altersversorgung – auf diese Kurzform hatte die Bild ein Konzeptpapier der 33-jährigen Sozialpolitikerin gebracht.
Auch Bundeskanzler Schröder ließ es sich nicht nehmen, den Bündnisgrünen zu verdeutlichen, wie er über ihren Rentenvorschlag denkt: „Was die Grünen formuliert haben, ist nicht das Programm der Koalition, und es hat auch keine Chance, zum Programm zu werden.“ Sagte Gerhard Schröder vor der Bundespressekonferenz (siehe S. 5), und er wusste, warum er nicht präziser wurde. Denn in der Sache haben die Grünen exakt die gleichen Vorstellungen wie etwa Finanzminister Eichel (SPD).
Die Regierung wird, wenn der Bundestag zustimmt, die Renten zwei Jahre lang nicht entlang der Nettolöhne erhöhen – und auch danach wird die Rechnung „Rentenanstieg entspricht Nettolohnzuwachs“ keine Gültigkeit mehr haben. Die Formel für eine Rente der Zukunft wird, verkürzt, lauten: Rentenanstieg ist Nettolohn minus Kindergeld.
Der Bundesfinanzminister bestätigte dies. „Dass wir eine neue Rentenformel brauchen, ist klar“, sagte Eichel in Berlin. Nach zwei Jahren Rentenzuwachses auf Inflationsniveau, so erläuterte er weiter, „wird es wieder eine Ankopplung an die Lohnentwicklung geben“. Aber: Die Renten wären dann „nicht mehr finanzierbar“ (Eichel), weil die Steuererleichterungen von diesem und kommendem Frühjahr die Löhne in die Höhe trieben. Das bedeutet mit anderen Worten: Wer die Rente ab dem Jahr 2002 wieder an die Lohnentwicklung knüpfen will, muss die steuerlichen Entlastungen, etwa die für Familien, herausrechnen. Nichts anderes hatte die Grüne Göring-Eckardt in ihr internes Papier geschrieben, und das Gleiche schlägt auch der DGB vor. Nur suchen alle Parteien eine kunstvolle Formulierung, die der politische Gegner nicht als „Rentenbetrug“ denunzieren kann.
Die Grünen fanden gestern zu medienfähigen Botschaften zurück. Riesters Rentenplan ist gut, teilte Fraktionssprecherin Müller sinngemäß mit. Und nach zwei Jahren gibt es, versprochen, wieder eine Lohnankopplung.
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