: Reemtsma-Entführer geht für sechs Jahre in Haft
■ Gericht folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Verteidiger sieht vertane Chance
Mehr als drei Jahre nach der Entführung des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma ist gestern Piotr L. als dritter Entführer verurteilt worden. Der 33-jährige muss für sechs Jahre hinter Gitter. Der Vorsitzende Richter Ulf Brüchner am Hamburger Landgericht folgte mit seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Pole am 25. März 1996 zusammen mit Thomas Drach Reemtsma entführte und in ein Geiselversteck in ein Haus im niedersächsischen Garlstedt brachte.
Die Verteidigung hatte für die Mindeststrafe von fünf Jahren plädiert, die Nebenklage hatte versucht, eine Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs zu erreichen. Über eine Revision wollte die Verteidigung noch keine Entscheidung treffen.
Der Verurteilte war von Drachs Komplizen Wolfgang K. als „Mann fürs Grobe“ in Spanien angeworben worden, wobei ihm der wahre Hintergrund der Tat verheimlicht wurde. Engagiert wurde er, um angeblich Schulden bei einem Geschäftspartner von Drach einzutreiben. An dieser Aussage gab es auch nach der Beweisaufnahme keine Zweifel. Der Vorsitzende Richter nahm ihm jedoch nicht ab, erst drei Wochen nach der Entführung den wahren Hintergrund des Verbrechens erkannt zu haben.
Die entwürdigenden Umstände der Geiselnahme und der Geiselhaft wie die Ankettung Reemtsmas, die Maskierung und Bewaffnung mit einer Kalaschnikow und die Erpresserfotos müssen es ihm nach Ansicht des Gerichts deutlich gemacht haben, dass es sich nicht einfach um die Eintreibung von Schulden handelte.
Als strafmildernd wertete das Gericht, dass Laskowski aus eigenem Willen zu einem Moment aus dem Verbrechen ausgestieg und sicht stellte, als es noch nicht zu einer Geldübergabe gekommen war. Er hatte sich auch nicht zu einem Verbleiben überreden lassen, als ihm Drach drei Millionen Mark „Honorar“ versprach. Zu Laskowskis Gunsten spreche zudem ein weitgehendes Geständnis, auch sei er nicht vorbestraft.
Nach Ansicht von Verteidiger Burkhard Immel ist das Urteil „eine vertane Chance“. Das Gericht hätte ein Signal setzen sollen, dass sich eine Kooperation mit dem Rechtssystem lohne. lno
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