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Hilfreiche Tipps zum Abreißen

MieterInnen im Schanzenviertel werfen Stadtentwicklern vor, Abgeordnete durch Sitzungsvorlage „zu manipulieren“  ■ Von Peter Ahrens

Die Galerie in der Sternstraße 115 trägt den Namen Barmherzigkeit. Doch die Galeristen, die sich in dem Haus eingemietet haben, wollen gar keine Gnade, sondern ihr Recht. Das sehen die MieterInnen der Sternstraße 115 und der zwei anderen vom Abriss bedrohten Häuser im Schanzenviertel (taz berichtete) massiv bedroht. Ihr Vorwurf: Stadtentwicklungsbehörde (Steb) und Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) versuchen, mit einer „manipulierten Sitzungsvorlage“ die Abgeordneten, die über die Zukunft der Häuser entscheiden, in Richtung Abriss zu beeinflussen.

Am Mittwoch berät der Stadtplanungsausschuss des Bezirks Mitte darüber, was mit den Häusern Schanzenstraße 52 und 54 und Sternstraße 115 passiert. Abreißen, wie es der Eigentümer will, oder Sanierung, wie es die MieterInnen verlangen. Die Sitzungsvorlage, die den Abgeordneten dann zur Information vorliegt, gibt den Kurs an. In ihr werden der Kommanditgesellschaft B&D Kampstraße, der die Häuser gehören, Tipps gegeben, wie sie ihre Anträge ausfüllen soll, wenn sie abreißen will. In ihr wird mehrfach drauf hingewiesen, dass eine Sanierung die Stadt Hamburg 2,2 Millionen Mark zusätzlich koste und dass ein Neubau mehr Wohnraum schaffe – nämlich 2970 Quadratmeter gegenüber 1565 Quadratmetern zur Zeit. In ihr wird auf die MieterInnen nur mit einem Satz eingegangen: „Die Mieterzustimmung für die Maßnahmen wird von der Steb vorausgesetzt.“

Empörung löst das bei Albert Ritthaler, dem Sprecher der MieterInnen, aus. Der Steb sei seit dem vergangenen Herbst bekannt, dass die BewohnerInnen mit einem Abriss nicht einverstanden sind. Kein Wort davon in der Vorlage. Ritthaler hat ausgerechnet, dass die in der Vorlage genannten 2970 Quadratmeter Wohnfläche, die bei einem Neubau winken, Bruttozahlen sind, die gegenwärtigen 1565 Quadratmeter aber Nettowohnraum, den man noch aufstocken könnte. Und er weist aufs Baurecht hin und den dortigen Passus, dass die Stadt die 2,2 Millionen Mark nur dann bezahlen müsse, wenn die Eigentümerin nachweisen kann, alles für eine Sanierung getan zu haben.

Ritthalers Fazit: Die Behörden versuchen, alle Zahlen so zu präsentieren, dass den Politikern im Ausschuss nichts übrig bleibt, als dem Abriss zuzustimmen. Heute wird man auf einer Mieterversammlung um 19.30 Uhr in der Stadtteiletage beraten, ob man dagegen strafrechtlich vorgehen will.

1995 haben Stadt und Eigentümerin einen Vertrag über die Zukunft der Häuser im Schanzenviertel abgeschlossen. Damals feierte die Steb die „stadtteilverträgliche Lösung“ mit dem Hinweis: „Sämtliche betroffenen Altbauwohnungen werden zur Gewährleistung niedriger Mieten instandgesetzt und modernisiert.“ Von Abriss stand da nichts.

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