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■ KommentarEin Sieg der Demokratie  In Brandenburg hat die DVU ihren Zenit überschritten

Der Erfolg der DVU ist kein Schaden für die Demokratie. Im Gegenteil: Die Demokratie geht gestärkt aus der Landtagswahl hervor. Der Einzug der Rechten ins Potsdamer Parlament stellt lediglich die politischen Verhältnisse vom Kopf auf die Füße: Für die nächsten fünf Jahre ist parlamentarisch repräsentiert, was rund um Berlin allerorten vorhanden und zu spüren ist: Völkisches Denken und die Sehnsucht nach einem starken Staat.

Nicht der ist jetzt der beste Demokrat, der wie Brandenburgs Sozialministerin Regina Hildebrandt in die Mikrofone brüllt: „Mich packt die blanke Verzweiflung.“ Bleiben wir besser nüchtern und stellen fest: Der DVU ist es in Brandenburg nicht gelungen, ihre Potenziale auszuschöpfen. Das eigentlich Überraschende ist, dass nur zehn Prozent der Jungwähler für die Rechtsradikalen votierten. Das ist wenig im Vergleich zu anderen Landtagswahlen, bei denen rechte Parteien in den letzten zehn Jahren Erfolge einheimsen konnten – in Baden-Würtemberg, Westberlin, Bremerhaven, Schleswig-Holstein und natürlich in Sachsen-Anhalt, wo die DVU im letzten Jahr unter den Jungwählern stärkste Partei wurde.

Trotz des völkischen Straßenterrors in Brandenburg: Die rechtsradikalen Parteien haben ihren Zenit überschritten. Das dürftige Wahlergebnis der DVU beweist: Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer ist die Demokratie im Osten Deutschlands stabiler als befürchtet. Offensichtlich sind die Menschen dabei, sich mit einem politischen System anzufreunden, dem sie bislang mit sehr ambivalenten Gefühlen gegenüberstanden. Dafür spricht auch die Absage der Wähler an den Übervater Manfred Stolpe und die Übermutter Regine Hildebrandt. Die Aufregung um den Einzug der Rechtsradikalen in das Parlament bietet den Anreiz, Demokratie im Alltagsleben weiterzuentwickeln. All die Aktionsbündnisse und Runden Tische gegen rechte Gewalt in Brandenburg wären gut beraten, jetzt nicht in Alarmismus zu verfallen.

Mehr Selbstvertrauen ist angesagt. Schließlich ist es auch ihr Verdienst, dass die DVU unter Jungwählern eine Partei mit eingeschränkter Attraktivität bleibt. Das sind die Früchte des zarten Pflänzchens Zivilgesellschaft. Und wenn dieses von besorgten Bürgern nun besonders aufmerksam gepflegt wird, könnte der DVU gar ein historisches Verdienst zukommen. Eberhard Seidel

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