Kein normaler Inhaftierter

■ Demirel-Prozess begann. Angeklagter auf Anordnung des Gerichts von Einzelzelle ins Krankenhaus verlegt

Zum Auftakt des Staatsschutzprozesses gegen den türkischen Journalisten Mesut Demirel vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) gestern standen neben der Verlesung der Anklage die Haftbedingungen des 43jährigen schwerbehinderten Führungskader der türkischen DHKP-C („Revolutionäre Volksbefreiungsfront/Partei“) im Mittelpunkt. Entgegen den Angaben der Gefängnisleitung, dass Demirel „keine medizinische Betreuung“ brauche, ordnete der OLG-Senat nach einer Untersuchung durch zwei Ärzte die Verlegung auf die Pflegestation des Gefängniskrankenhauses an.

Demirel, der sich aufgrund seiner DHKP-C-Funktion wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ sowie „psychischer Beihilfe zu einer versuchten Tötung“ verantworten muss, hatte bei einem Briefbombenanschlag beide Hände und ein Auge verloren. Bei seiner Überstellung Ende August von Bochum nach Hamburg waren seine Prothesen im dortigen Gefängnis „vergessen“ worden. In Hamburg erhielt Demirel lediglich eine Manschette.

In einer Erklärung beschwerte sich der 43-jährige Journalist im Gerichtssaal über die Isolationshaftbedingungen. Besonders getroffen hatte den Intellektuellen, dass er erst nach sieben Monaten Haft das erste Buch bekommen habe, ein Radio habe er noch immer nicht. „Ich habe nicht einmal die Rechte eines ganz normalen Inhaftierten“, so der Angeklage.

Zuvor hatte Bundesanwalt Norbert Kortgen bei der Verlesung der Anklage Demirel „Rädelsführerschaft“ in einer Organisation vorgeworfen, die „Mord und Totschlag“ ausübe. Da er als DHKP-C-Pressesprecher direkt in die Führungsstrukturen eingebunden und „für die Festigung der ideologischen Grundlagen“ verantwortlich war, sei er auch für die Entscheidungen mitverantwortlich. So habe der Parteirat im Mai 1995 die Regional- und Gebietsleiter angewiesen, Brandanschläge auf türkische Einrichtungen auszuüben.

In Folge habe es 15 Brandanschläge gegeben, so Kortgen, „wobei es bei 13 beim Versuch blieb“. Auch von der Anweisung des damaligen Deutschlandbeauftragten Sereffetin Gül, Ertan E. von der rivalisierenden „Devrimci Sol“ zu überfallen, habe Demirel Kenntnis gehabt und durch sein Schweigen im Parteirat der Anweisung „Gewicht gegeben“. Ertan E. war am 5. September 1997 von DHKP-C-Leuten in der Altonaer Thedestraße überfallen und durch Beinschüsse verletzt worden. Der Prozess wird fortgesetzt. kva