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Hamburg, das Tor zum Universum

■ Gestern begann in Hamburg mit Ethno und Eso der weltweite Qi Gong-Kongress

Sonnenblumen am Rednerpult, ein zartrosa Kristallstein daneben, Regenbogenfarben-Spotlights von links und rechts, ein gelb-orange-roter Lichtkreis im Hintergrund. Bei der gestrigen Eröffnung des ersten, weltweiten Qi Gong-Kongresses im Auditorium der Hamburger Uni spricht das Ambiente für sich. Mindestens die Hälfte der gut 1000 anwesenden Qi Gong-Fans ist in erster Linie gekommen, um an der Qi-Übertragung mit speziellen Heilenergien teilzunehmen, die Professor Wei Ling Yi, Präsident der Qi Gong Universität in Sichuan (China) vornehmen will.

Sie alle legen die Hände mit der Handfläche nach oben auf ihre Oberschenkel, schliessen die Augen, und vertrauen sich ihren Selbstheilkräften an: „Wenn zum Beispiel Ihr Blutdruck zu hoch ist, so sagen Sie sich autosuggestiv: er wird niedriger werden.“ Telepathisches Qi Gong. Die „Botschaft der Heilung für unsere Gesundheit und für den Weltfrieden“ wird untermalt von den gutturalen Tonexperimenten der schwarzen Soul-Sängerin Jocelyn B. Smith.

Krista Sager, zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin, eröffnet den Kongress: „Warum sollte das Tor zur Welt Hamburg nicht auch Tor zum Universum sein?“ Die westliche Kultur habe keine Veranlassung zu „intellektueller Überheblichkeit“, betont Sager, „zumal sie den Zusammenhang von Geist, Energie und Materie nur wenig durchdrungen hat“. Das will der Kongress ändern: In fünf Tagen sollen die Grundlagen der unterschiedlichen Richtungen des Qi-Gong in wissenschaftlichen Vorträgen erörtert und in praktischen Übungen erlernt werden.

Qi Gong, die 7000jährige Meditations-, Bewegungs-, und Atemtechnnik, findet sich in sämtlichen Lebensbereichen: vom Sport über Kunst und Architektur bis hin zur Medizin. Die Schirmherrin Monika Griefahn lässt sich wenigstens brieflich vertreten, und bezeichnet die Veranstaltungen als „wichtigen Baustein einer präventiven Sicherheitspolitik“.

Qi Gong ist in seinem Ursprungsland China in den letzten 50 Jahren zur Massenbewegung avanciert. Li Zhi Nan, Vizedirektor der Qigong Science Society China, befürchtet, dass „das wahre Qi Gong“ durch das „falsche Qi Gong“ unseriöser, kommerzieller Scharlatane in Misskredit gerate. Die wissenschaftlich fundierten Grundlagen allerdings werden bei der Kongresseröffnung auch überlagert von dem bunten Mischmasch aus Eso, Ethno, Multikulti und Wunderheilung. Uta Caspary

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