: Blühende Weiberwirtschaft
■ Neue Geschäftsführerin in der Frauenkneipe: Mit Lautstärkeregler, Benefiz-Party und Kulturprogramm raus aus der Krise Von Silke Mertins
Neue Wandbemalungen, neue Außenwerbung, neues Programm: Von Krise, Umziehen, Zumachen und existenzbedrohlichen Ärger mit dem Nachbar ist seit einigen Monaten in der Frauenkneipe keine Rede mehr. Schuld an der neuerlichen Umtriebigkeit in Hamburgs ältester feministischer Weiberwirtschaft ist die neue Geschäftsführerin Andrea Gottlieb, die beschlossen hat, ihre Energie in das gastronomisch-kulturelle Frauenprojekt zu stecken. „Auf die freie Wirtschaft oder was Gemischtes hatte ich einfach keine Lust“, so die 33jährige Karate- und Selbstverteidigungslehrerin. Sie wollte etwas Neues ausprobieren: „Es ist nicht gut, zu lange am gleichen Platz zu sitzen.“
Selbst den ständigen Ärger mit dem Nachbarn, dem die Musik zu laut ist, hat die Neue in den Griff bekommen. Das Geschäft läuft, fast jeden Freitag wird wieder abgehottet, vorige Woche wurde die Ausstellung „Erotische Phantasien“ von Martina Pisbach eröffnet. „Der Laden trägt sich eigentlich. Das Problem ist nur, daß die Kneipe entschuldet werden muß.“ Und deshalb „brauchen wir noch mindestens eine Benefiz-Party“. Eigentlich hatte die in der Roten Flora stattfinden sollen.
Das finanzielle Standbein der Frauenkneipe, die freitäglichen Diskos, sind vorerst, trotz der permanenten Beschwerden eines Hausbewohners, gerettet. „Das Ordnungsamt hat uns einen Lautstärkeregler in die Anlage eingebaut“, so Andrea. Damit kann es Klagen bei der Polizei hageln wie es will. Solange der Regler nicht ausgebaut wird, passiert gar nichts. „Die Säulen werden immer Lautstärke leiten“, so Andrea, „und die Bausubstanz zu verändern kann die SAGA nicht bezahlen.“ Selbst bei einer supermodernen Schallisolierung, die 60.000 Mark kosten würde, „gibt es keine Garantie dafür“, daß keine Lärmbeschwerden kommen.
Wenn die Diskos wieder laufen und die Schulden abbezahlt sind, kann die neue Geschäftführerin auch langsam von anderen Dingen träumen. Von einem Gehalt zum Beispiel. Oder bescheidene Pläne zur Befriedigung kulinarischer Gelüste schmieden, „weil ich selber so gern esse.“ Derweilen legt Andrea Gottlieb nebst freiwilligen Renovierungshelferinnen noch selbst Hand an Pinsel und Farbeimer. Zusätzliche Frauenhände, die für Ruhm und Ehre und unter dem Motto „unsere Frauenkneipe soll schöner werden“ aktiv sein wollen, sind übrigens gern gesehen.
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