Kommentar: Gesamtstädtisch
■ Warum die Holzhafen-Enscheidung das Dilemma der Volksgesetzgebung aufzeigt
Der Beschluss zum Bürgerbegehren „Holzhafen“ offenbart eine Schwachstelle in der Hamburger Volksgesetzgebung. Zum ersten Mal wird möglicherweise ein Bürgerbegehren auf Bezirksebene gekippt, weil der Senat die Sache der Bürgerschaft vorlegen will. Die Regierung darf das in Fällen von „gesamtstädtischer Bedeutung“.
Aber wer definiert eigentlich, wann etwa ein Bebauungsplan so wichtig ist, dass gleich das Landesparlament darüber befinden muss? Der Senat? Wenn dem so wäre, könnte die regierende Koalition fast jede missliebige Initiative des Volkes ins Leere laufen lassen. Die Gerichte? Sie gerieten leicht in eine politische Rolle, die ihnen nicht zukommt.
Die Frage, was eine solchermaßen beschnittene Volksgesetzgebung wert ist, stellt sich trotz dieses Dilemmas nicht. Denn es geht nicht darum, die Interessen der Menschen vor Ort nicht zur Geltung kommen zu lassen, sondern sie mit denen aller HamburgerInnen abzuwägen. Im vorliegenden Fall steht auf der einen Seite der Wunsch vieler Menschen in Altona, einen unverstellten Blick auf die Elbe samt Park genießen zu können – auf der anderen die Idee, Hamburg müsse sich am Hafen mit einer Reihe markanter Bauten präsentieren und sein Versprechen gegenüber den Mercado-Investoren erfüllen.
Eine Volksgesetzgebung auf Landesebene würde etwas von dem schalen Geschmack eines Dekrets von oben nehmen und vom Eindruck, hier setze sich die große Politik durch. An dem grundsätzlichen Konflikt jedoch würde sie nichts ändern.
Gernot Knödler
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