: „Ich habe einen Traum“
■ Was der grüne Kampf um Kölns OB-Amt mit Fußball und Karnevalskäppis zu tun hat
Köln (taz) – Wahlkampfabschlussveranstaltung im Kölner Tanzbrunnen. Zum Schlussspurt im knappen Rennen um das Oberbürgermeisteramt in der Domstadt mobilisieren die Grünen ihre letzten Reserven und Argumente. 1.200 Menschen und zwei Landes- sowie ein Bundesminister sind gekommen.
Und Kerstin Müller. Die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion wandelt auf den Spuren Martin Luther Kings. „Ich habe einen Traum“, ruft sie aus. „Dass einmal der Wieverfastelovend auf dem Heumarkt von einer Frau eröffnet wird.“ Anne Lütkes als Oberbürgermeisterin im kölschen Karneval. Was für eine Vision!
Allerdings könnte Müllers Traum für Lütkes auch zum Albtraum werden. Den Karneval in Köln ist nicht nur Wieverfastelovend und Rosenmontagszug. Sondern vor allem: Sitzungskarneval. Um den zu überstehen, hat der amtierende OB einen eigenen Mützenplan. Damit er bei den Blauen, den Roten oder den Rosa Funken das richtige Käppi auf hat. Statt der erforderlichen rund 400 besitzt Lütkes allerdings bislang nur eine einzige Mütze.
Doch in Köln gibt es ja auch noch den Fußball. Den allerdings inzwischen nur noch zweitklassig. Deshalb hat auch Michael Vesper seinen Platz auf der Ehrentribüne in Dortmund beim Länderspiel verwaisen lassen und ist lieber zur Unterstützung von Lütkes nach Köln gekommen. Damit beim nächsten Mal endlich auch mal wieder Kölner in der Nationalelf spielen.
Der Kölner Fußball – heruntergewirtschaftet von Rot-Schwarz. Das bedrückt Joschka Fischer: „Der 1. FC in der 2. Liga – das tut mir weh!“ Der Stürmer der „Grünen Tulpe“ fordert: „Es muss mit Köln vorangehen, nicht nur fußballerisch.“ Aber eben auch im Fußball. Wäre er CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers, würde er sagen: „Wählt unsere Kandidatin, wählt unsere Partei – und der FC steigt wieder auf.“ Doch Fischer ist nicht Rüttgers. Und: „So einfach ist das nicht!“
Warum nicht? Der erste Schritt in die richtige Richtung ist schließlich mit der Verpflichtung des früheren Kandidaten der DKP-nahen „Friedensliste“, Ewald Lienen, als Trainer gemacht. Der linke Coach Lienen und die Grüne Lütkes als OB – das wäre doch mal ein rot-grünes Traumteam. Da kann gar nichts schiefgehen. Oder doch? „Meistens ist die Realität schlimmer als der Koalitionspartner“, warnt Fischer. Aber noch schlimmer als die Träume von Kerstin Müller? Pascal Beucker
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