„Verträge kann man kündigen“

■  Der deutsche Handel mit Indonesien blüht – auch mit Waffen und „halbzivilen“ Gütern. Angesichts des Terrors in Osttimor fordern Menschenrechtler einen Lieferungsstopp

Berlin (taz) – Am Tor des schmucklosen indonesischen Konsulats in Berlin steht ein Sprecher im roten Jackett. Er sagt: „Die Lage in Osttimor hat sich beruhigt.“ Beruhigen will er damit auch das Häuflein Demonstranten vor dem Konsulat. Doch die Vertreterin von amnesty international (ai) reagiert auf die Beruhigungsfloskeln mit Sarkasmus: „Kein Wunder“, murmelt sie. „Schließlich ist ein Drittel der Bevölkerung vertrieben oder tot.“ Getötet auch mit deutschen Waffen?

„Vor allem der Kleinwaffenhandel mit Indonesien blüht“, so Martin Reiner vom ai-Bezirk Berlin-Brandenburg. Immer drängender stellt sich die Frage: Was hat Deutschland mit dem Terror in Osttimor zu tun? Die Wirtschaftsbeziehungen mit Indonesien sind traditionell gut. Allein im letzten Jahr lieferten deutsche Firmen Produkte im Wert von 3,34 Milliarden Mark, importiert wurden Waren für 3,96 Milliarden Mark. Der Warenaustausch beschränkt sich nicht nur auf harmlose Konsumgüter. Das ARD-Politmagazin „Monitor“ berichtete am Donnerstag über die Verflechtungen von deutscher Rüstungsindustrie, deutschen Geheimdiensten und der indonesischen Armee. Der Terror in Osttimor finde, so „Monitor“, „auch mit deutscher Hilfe“ statt.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) pflege weiter die gute Partnerschaft mit dem indonesischen Gemeindienst (BND-interner Deckname: „Kakadu“). Die rot-grüne Bundesregierung setze dieselben Prioritäten wie ihre Vorgänger: wirtschaftliche Interessen vor Menschenrechten.

Erst diese Woche forderte der australische Regierungsbeauftragte John Dowd: „Deutschland sollte sofort Wirtschaftssanktionen verhängen, den Handel mit Indonesien stoppen und endlich begreifen, dass Menschenleben wichtiger sind als Profit.“ Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte dazu gestern: „Handelsembargos haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie nicht unbedingt dazu beitragen, die Ziele zu erreichen, die man erreichen will.“ Der Anteil von Rüstungsgütern an den deutschen Exporten nach Indonesien sei äußerst gering. Insgesamt habe die deutsche Industrie 1998 genehmigungspflichtige Güter im Wert von rund 800 Millionen Mark nach Indonesien geliefert. Der überwiegende Teil (796 Millionen) seien so genannte Dual-Use-Güter gewesen, die nicht unmittelbar militärischen Zwecken dienten – wie beispielsweise „Polizeiuniformen, Hämmer und Schrauben“.

Andrea Kolling von der Kampagne „Stoppt den Rüstungsexport“ sieht das anders. Sie verweist auf vier Patrouillenboote, die in der Bremer Lürffen-Werft für Indonesiens Armee hergestellt würden. Ihrer Kenntnis nach würden in Freiburg Raketensprengköpfe produziert. Kolling fordert ein Ende aller Lieferungen. Laufende Aufträge müssten gestoppt werden: „Wer internationale Verträge bricht, dem kann man auch Verträge kündigen.“ Lukas Wallraff

Michaela Kirschner