: Polizei ganz scharf auf Drogen
■ In Friedrichshain häufen sich Einsätze der Staatsgewalt wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Doch beschlagnahmt werden die Pflanzen von Selbstversorgern
Die Berliner Polizei kämpft verstärkt gegen den Anbau und Konsum von Cannabis im Bezirk Friedrichshain. Das ist das Ergebnis einer Kleinen Anfrage des PDS-Abgeordneten Freke Over.
Allein in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte August führte die Polizei nach Informationen der Senatsinnenverwaltung in dem Bezirk 23 Einsätze wegen Verdachts von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz durch. 38 Strafanzeigen waren die Folge.
Dabei hat die Polizei in nicht wenigen Fällen mit Kanonen auf Spatzen geschossen: So waren zum Beispiel ganze 13 Dienstkräfte der Bereitschaftspolizei sowie der einzelnen Polizeiabschnitte nötig, um in einem Haus in der Liebigstraße vier Cannabispflanzen zu beschlagnahmen. In einem anderen Fall trat selbst die örtliche Kriminalpolizei auf den Plan – insgesamt 22 Beamte waren damit beschäftigt, fünfzehn Hanfpflanzen in der Jessnerstraße zu den Asservaten zu nehmen.
Die beschlagnahmten Mengen Marihuana unterschieden sich dabei deutlich: In einem Fall war selbst eine Bagatelldosis von 1,5 Gramm Betäubungsmittel der Polizei eine Strafanzeige wert, mehrere andere Male war die beschlagnahmte Menge lediglich als „kleine Würfel“ ohne Gewichtsangabe ausgewiesen. Nur in zwei Fällen fanden die Beamten größere Mengen wie 300 Gramm Haschisch oder 70 Cannabispflanzen.
Zur Aufklärung der einzelnen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz setzte die Polizei außerdem für 45 Minuten einen Hubschrauber ein. Die anfallenden Kosten betragen laut Innenverwaltung pro Stunde 1.400 Mark.
Over kommentierte die Antwort der Senatsinnenverwaltung mit Verblüffung: „Ich war erstaunt über diese Verschwendung polizeilicher Arbeitszeit.“ Gleichzeitig kritisierte der PDS-Abgeordnete, dass durch die Kriminalisierung von Selbstversorgern der gewerbliche Drogenhandel unterstützt werde. Die Beschlagnahme von einzelnen Pflanzen werfe ein bezeichnendes Licht auf den Anstieg der Drogendelikte in der Kriminalitätsstatistik. Nach dem Legalitätsprinzip sind die Beamten selbst bei geringsten Mengen zum Eingreifen verpflichtet. Liegt die Ausbeute unter sechs Gramm Haschisch, werden die Verfahren in der Regel eingestellt.
Um auf die polizeiliche Praxis aufmerksam zu machen, hatte Over im August selbst eine Patenschaft für eine Hanfpflanze am Boxhagener Platz übernommen. Auf einem eigens aufgestellten Schild verpflichtete sich der Abgeordnete als „Hanfpate“ zur „regelmäßigen Pflege der Pflanze, zur sachgemäßen Ernte sowie zur nutzbringenden Weiterverwendung“. Geworden ist daraus aber nichts: Am 17. August setzte die Polizei der Patenschaft ein jähes Ende. Andreas Spannbauer
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