: Mildes Urteil für Vergewaltiger
■ Bremens größter DNA-Test brachte unauffälligen Familienvater sechseinhalb Jahre hinter Gitter / Er hatte sein Opfer mehrfach vergewaltigt, fast erwürgt und bei eisiger Kälte liegen lassen
„Jede Frau fürchtet sich vor dem, was dieser Täter der Zeugin angetan hat“, sagte gestern Richter Werner Oetken im Bremer Landgericht – und sprach dann doch ein relativ mildes Urteil für eine schwere Vergewaltigung aus, bei der der Täter den Tod seines Opfers in Kauf genommen hatte. Die 19jährige Vergewaltigte hatte den Angriff am Faschingsmontag dieses Jahres nur knapp überlebt. Der im Mai nach dem bis dato umfangreichsten Bremer Gentest festgenommene Verdächtige, 28-jähriger Vater einer Tochter, der bis dahin in der Nähe des Tatorts in Kattenturm lebte und das Opfer nicht kannte, muss sechseinhalb Jahre hinter Gitter.
Mit dem Strafmaß blieb das Gericht dreieinhalb Jahre unter der Forderung des Staatsanwalts, der im vorangegangenen Alkoholgenuß des Täters keine verminderte Schuldfähigkeit erkannt hatte. Anders die Kammer. „Wir konnten verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen“, so die Urteilsbegründung. Der Verurteilte stehe jetzt „vor dem Scherbenhaufen einer bisher geordneten Lebensplanung“. Tenor: Bescheiden und redlich. Für die geschädigte Frau hoffte das Gericht, „dass sie über diese schreckliche Tat eines Tages wird hinweg kommen können“.
Insgesamt sei die Tat eher eine Ausnahme – in ihrer Schwere, aber auch, weil das Motiv des Täters während mehrerer Verhandlungstage nicht geklärt werden konnte. Der Angeklagte selbst hatte angegeben, sich an Einzelheiten der Tat nicht erinnern zu können und nicht zu wissen, „wie es dazu kommen konnte“. Er war, nach einer geplatzten Verabredung mit Freunden, allein unterwegs gewesen, als er auf die Frau traf. Gutachten hatten ihm volle Zurechnungsfähigkeit bestätigt. Die Lebensgefährtin und andere ZeugInnen hatten den Gelegenheits-Kellner als unauffällig, freundlich und im Umgang mit Tochter und Freundin als liebevoll beschrieben.
Völlig anders war der Mann der Abiturientin begegnet. Die hatte kurz nach vier Uhr früh, auf dem Heimweg von einer Faschingsparty, zwischen Straßenbahnhaltestelle und Elternhaus, Schritte hinter sich gehört – und sich deshalb mit „ungutem Gefühl“ umgewendet. Das Manöver, den möglicherweise harmlosen Fußgänger um Feuer zu bitten, um ihm unauffällig gegenüber stehen zu können, brachte nichts – außer einer treffenden Täterbeschreibung. Denn kurz darauf griff der Mann sie brutal von hinten an, vergewaltigte sie noch auf der Straße ein erstes Mal, zwang sie dann – unter ständigem Würgen – ins Gebüsch, wo er erneut mehrfach auf verschiedenste Art über sie herfiel. Schließlich ließ der Täter die geschundene Frau bei Minustemperaturen bewußtlos in einer Sandkiste liegen. „Sie hatte mit ihrem Leben schon fast abgeschlossen“, glaubt auch das Gericht an die Todesnähe des Opfers. Die Frau hatte einem medizinischen Gutachter bereits kurz nach der Tat berichtet, wie – typisch für Sterbende – vor ihren Augen Bilder aus ihrem Leben als „Panoramaschau“ abgelaufen waren. Schließlich hatte sie sich doch berappelt.
Aus diesem Sachverhalt hatte der Anwalt des Angeklagten noch am gestrigen letzten Prozesstag per Beweisantrag zu konstruieren versucht, dass eine straferschwerende Todesnähe nicht bestanden habe. „Wenn die Darstellung des Würgens so zuträfe, dann hätte das zum Tod führen müssen“, so der Verteidiger. Dem gebürtigen Jugoslawen, der seit über zehn Jahren in Deutschland lebt, droht nach der Haft die Ausweisung. ede
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