: Zuckerbrot und Peitsche
■ SPD-Fraktionschef Klaus Böger lobte die Leistungen der sozialdemokratischen Senatoren. Um diese Erfolge fortsetzen zu können, brauche er einen klaren Wählerauftrag
SPD-Fraktionschef Klaus Böger wollte den Wählern gestern den Mund wässrig machen. Sein Zuckerbrot für Unentschlossene: Die fünf SPD-Senatoren der Landesregierung. Vor der Presse lobte er die Arbeit des Quintetts über den Klee, um den Wählern zu zeigen, was ihnen entginge, sollten sie der SPD keinen „klaren Auftrag“ zur Regierungsbeteiligung erteilen. Am Montag schwang er die Peitsche und warnte das Wahlvolk in einem Interview, eine Neuauflage der Großen Koalition werde es nur geben, wenn die SPD einen „klaren Wählerauftrag“ erhalte.
Noch vor einer Woche traf sein Zorn genau jene Parteifunktionäre, die diese Möglichkeit ins Kalkül zogen.
Doch der rapide Verfall der Umfragewerte lehrte auch Böger: Wenn es auf das Wahlergebnis nicht mehr ankommt, weil jedes denkbare Ergebnis auf eine „Große“ Koalition hinausläuft, dann geht auch niemand mehr zur Wahl. Offenbar glaubt der gelernte Lehrer Böger, mit dem pädagogischen Handwerkszeug von Zuckerbrot und Peitsche die sozialdemokratischen Stammwähler vom Wahlboykott abbringen zu können.
Also durfte gestern Gabriele Schöttler die „Verlässlichkeit der aktiven Arbeitsmarktpolitik“ preisen, Ehrhart Körting über erfolgreiche Kriminalitätsprävention dozieren, Ingrid Stahmer ihre Grundschulreform loben, Peter Strieder sein Planwerk Innenstadt zum „international beachteten Leitbild“ hochstilisieren und, ganz am Schluss, Annette Fugmann-Heesing die Anerkennung der finanzpolitischen Realitäten einfordern. Böger sagte: „Unsere Leistungsbilanz ist gut, wir haben viel erreicht.“
Ohne den zähen Widerstand des Koalitionspartners CDU allerdings hätte die SPD nach Ansicht des Fraktionschefs „sehr viel mehr erreichen können“. Die Bezirks- und Verwaltungsreform oder die Sanierung des Landeshaushalts seien nur auf Druck der SPD durchgesetzt worden.
CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky sieht das naturgemäß anders. Er beklagte gestern, viele Initiativen der CDU seien „von der SPD verzögert oder gar verhindert worden“. Er freue sich aber, dass die Arbeit der Großen Koalition jetzt auch von den Sozialdemokraten positiv bewertet werde.
In den Reihen der SPD scheint nicht jeder Genosse das Regieren mit der CDU als erstrebenswert zu empfinden. Jedenfalls musste Böger gestern klarstellen, dass er die Oppositionsrolle nicht herbeiwünsche. „Die SPD will regieren und gestalten“, betonte er. „Die SPD will nicht opponieren.“ Am SPD-Wahlziel, 30 Prozent zu erreichen, halte er fest. Ralph Bollmann
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