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■ Rütteln, walzen, schütteln
Der Lärmpegel schwillt annähernd auf Landebahnniveau an, die versammelten Lokaljournalisten veranstalten ein Blitzlichtgewitter vom Feinsten. Der Geschäftsführer der Vernaro GmbH, Fred Bohndick, hat gerade den roten Knopf zum Produktionsstart einer der modernsten Hanffaseraufschlussanlagen in Europa gedrückt. Vernaro steht für Verarbeitungs- und Vertriebszentrum für nachwachsende Rohstoffe. Die fast petrochemisch anmutende Anlage wurde am 1. Juni in Gardelegen in Betrieb genommen, auf einer grünen Wiese irgendwo in Sachsen-Anhalt, etwa 50 Kilometer Luftlinie östlich von Wolfsburg.
Auf der etwa dreißig Meter langen Maschinenstrecke werden in mehreren Arbeitsgängen durch Rütteln, Walzen und Schütteln die inneren holzigen Bestandteile der Hanfpflanze, die Schäben, von den außenliegenden Fasern getrennt. „Rund 12.000 bis 13.000 Tonnen Hanf sollen hier demnächst jährlich zu Vliesen und Dämm-Matten verarbeitet werden“, sagt Bohndick. In den Anfangsmonaten werde die Anlage im Zwei- Schicht-Betrieb mit zwölf Arbeitsplätzen betrieben. „Im kommenden Jahr rechnen wir mit einem Umsatz von rund sechs Millionen Mark“, prognostiziert Bohndick.
Insgesamt acht Millionen Mark wurden in die Anlage investiert. Das Land Sachsen-Anhalt unterstützte den Bau mit öffentlichen Mitteln. Bohndick gibt sich optimistisch: Voraussichtlich werde allein der Hanfbedarf der Automobilindustrie zur Produktion von Formteilen in den nächsten fünf Jahren um ein Vielfaches auf 10.000 Tonnen ansteigen. Bereits in den nächsten Jahren werde in unmittelbarer Nachbarschaft eine Fabrik gebaut, in der Hanffasern zu leichtgewichtigen Küchenplatten verarbeitet würden, so der ehemalige Landwirt. Vielleicht wird Gardelegen in naher Zukunft zum Epizentrum der deutschen Hanfwirtschaft. VW
Foto: Wolfgang Hupperts
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