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Hanfheads, get real!

■ Kommentar

Der CannaBusiness-Ausstellerbeirat ist eine Steilvorlage für die Gründung eines Berufsverbandes

Der einzige Grund, viele Worte über Hanf zu verlieren, besteht darin, dass aus der vielseitigsten aller Pflanzen ein Genussmittel gewonnen werden kann, das illegal ist.

Solange die CDU mit einem gelben Fähnchen am schwarzen Wagen regiert hat, gab es noch die Hoffnung auf einen Wechsel; denn SPD und Grüne hatten sich klar für eine Änderung der drogenpolitischen Prinzipien ausgesprochen.

Vergangenes Jahr war der Wahlsonntag auch Schlusstag der CannaBusiness '98. Der Jubel unter Ausstellern und Besuchern war groß, als um 18.00 Uhr die ersten Meldungen einen Sieg Schröders ankündigten. Endlich, so schien es, würde der Druck auf die Hanfheads nachlassen und eine pragmatischere Gangart die hohlköpfige Verbieterei ablösen. Mindestens vier Millionen Menschen in Deutschland hätten etwas davon, weniger Angst nämlich.

Der designierte Innenminister Schily gab sich gesprächsbereit und ließ gar den Staatssekretärsposten des „Drogenbeauftragten“ in das Gesundheitsressort ziehen.

Nun, ein Jahr später, hat sich nichts bewegt; laue Absichtserklärungen zur Durchsetzung der medizinischen Nutzung sind alles, was an konstruktiven Äußerungen aus dem Bonner Probsthof kam, ansonsten schweigt sich das Gesundheitsministerium zum Knaster aus.

Nach wie vor werden im Namen einer „drogenfreien Gesellschaft“ aus Steuermitteln Lügengeschichten finanziert, und politische Amateure verweigern sich einer sachlichen Diskussion, weil sie der ohnehin nicht gewachsen wären: Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, erwachsenen Menschen das Kiffen zu verbieten.

Die Trompeter der Floskeln haben die Farbe gewechselt, sonst nichts.

An diesem Wochenende trifft sich die Hanfwelt wieder in Hennef. Was die CannaBusiness grundsätzlich von anderen Wirtschaftsveranstaltungen unterscheidet, ist die Förderung von selbstlosen Initiativen wie der „Grünen Hilfe“: Allein die 71-jährige Eva Gorig betreut über 200 Strafgefangene, die einsitzen, weil sie praktisch nichts anderes getan haben als jeder Kneiper.

Nun ist es an der Zeit, dass sich der aufstrebende Wirtschaftszweig den Realitäten stellt. Von der Politik ist offensichtlich kaum noch etwas zu erwarten, außer vielleicht einem müden Nicken, wenn sowieso klar ist, dass es nicht anders geht.

Das Gutmenschentum hat sich auch da längst überholt.

Rot-Grün? Die Trompeter der Floskeln haben lediglich die Farbe gewechselt, sonst nichts

Die Hanfparade, vollmundig als DIE (hanf-)politische Demonstration des Jahres angekündigt, präsentierte sich Ende August weitgehend als gemeinsamer Spaziergang mit anschließender Party – politische Diskussion: Fehlanzeige –, während es weder ein angemessenes Briefing für die Sponsoren noch nachvollziehbare Presseinformationen gab. Dabei ist den Realos unter den Cannabis-Freunden längst klar, dass Multiplikatoren nur dann für den Hanf gewonnen werden können, wenn sie mit nüchterner Lobbyarbeit versorgt werden statt mit bekiffter Träumerei.

Brauer, Winzer und Tabakbauern haben es vorgemacht: Eine Lobby muss her. Der CannaBusiness-Ausstellerbeirat ist eine Steilvorlage für die Gründung eines Berufsverbandes. Nur über die Bildung von gemeinsamen Strukturen kann die wirtschaftliche Kraft von Cannabis zu einem ernst zu nehmenden Partner werden, der seinen Platz in der Gesellschaft findet: Kultur ist die beste Form der Prävention. Jörg Jenetzky

Der Autor ist Chefredakteur der Zeitschrift HANF!

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