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Die echte Nummer 1 im Norden

■ Von Schäfchen, Wölfen, Teufelchen, dem Atem des Trainers und einer gerade angebrochenen ewigen Siegesserie: Warum fast nichts schöner ist als ein Hoch des wunderbaren heimischen Fußballclubs Werder Bremen

Haben Sie gesehen, wie nahe Werder-Trainer Thomas Schaaf nach dem 5:0 Sieg über den nordnorwegischen Club Bodö Glimt im südnorwegischen Trondheim dem ARD-Moderator Jürgen Emig gekommen ist? Schon während der ersten Frage hat sich der aller Voraussicht nach Erfolgreichste unter den fünf Nachfolgern Otto Rehhagels regelrecht an Emig herangeschlichen. Man sah richtig, wie der Reporter seinen Atem spürte, als Schaaf trocken sagte: „Wir haben uns ganz gut präsentiert.“ In solch einer Situation stellt man keine kritischen Fragen. Doch Emig stellt sowieso nie kritische Fragen. Aber warum sollte man nach zwei 5:0-Erfolgen hintereinander auch kritische Fragen stellen? Werder ist wieder wer in Fußball-Deutschland und -Europa inclusive assoziierter Staaten (wichtig wegen „Ausländerregelung“).

Wenn Schaaf und seine Schäfchen am Sonntag (Anpfiff 17.30 Uhr) zum nächsten Auswärtsspiel aufbrechen, werden sich Wolfgang Wolf und seine Wölfe in Wolfsburg auf etwas gefasst machen müssen. Wie schon im Spiel gegen die roten Teufelchen vom 1. FC Kaiserslautern wird „Angriffswelle auf Angriffswelle“ (O-Ton Sat.1) auf die schon nach wenigen Minuten wehrlose Abwehr niedergehen. Das „neue Traumduo“ (Sat.1, dpa und andere) der Liga, Rade Bogdanovic und der „neue Star“ und „Conquistadore“ (Sat.1) Claudio Pizarro, wird zaubern, weil „nach oben hin noch viel von dieser Mannschaft zu erwarten ist, wenn sie so weiter spielt“ (O-Ton ARD-Reporter in Trondheim). Denn vom „Fußball-Hoch im Norden“ (Emig) ist längst auch Werder angesteckt. Noch ein paar Siege, und die Schwarz-grünen werden „die Nummer 1 im Norden“ (Lieblingsthema der Besucher des Gästebuchs auf der Werder-Bremen-Homepage mit etwa folgenden Dialogen: „HSV-Fan: ,Ihr Fischköppe werdet niemals die Nummer 1 im Norden, das ist und bleibt der HSV.'“ Darauf Marco: „... und jetzt noch eine Anmerkung zum HSV-Fan: ,Du Hornochse, Werder ist die Nummer 1 im Norden, und das werden wir euch strunzdoofen HSV-Idioten beim Spiel am 27. November im Weserstadion auch ein für alle mal zeigen.“)

Fast nichts ist so schön wie das Hoch des bevorzugten Fußballclubs. Zwei Siege in Folge, und schon wird ein Trend daraus. Abergläubische Menschen, die sich in den letzten Jahren vorgenommen hatten, sich nie, nie, nie wieder für Werder zu interessieren, abonnieren sogar das Werder-Magazin. Eine große Gemeinschaft von Siegern und – in wachsender Zahl – Siegerinnen schart sich um den Club. Denn jetzt ist alles gut, und was gut ist, muss gut bleiben – bis es nicht mehr gut ist (und hämische HSV-Fans im Gästebuch der Werder-Homepage wieder die Oberhand gewinnen) ...

Plötzlich ein Luftzug. Wir spüren den Atem des Trainers. „Es wird nicht einfach in Wolfsburg. Niemand soll glauben, dass die Tore bei uns weiter am Fließband produziert werden.“ Noch Fragen, Herr Emig? ck

P.S.: Die taz bremen hat schon am 1. April 1997 empfohlen, Thomas Schaaf zum Werder-Trainer zu küren.

P.S.2: Zum Rückspiel gegen Bodö Glimt am 30. September wird Werder die Fans mit „volkstümlichen Preisen“ ins Stadion locken.

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