„Die Kürzung würde ich auch blockieren“

■ Im Kulturetat klafft mal wieder eine Lücke. Sieben Millionen Mark sind es in diesem Herbst. Im Gespräch mit der taz fordert die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz ein Umdenken statt ewig neuer Sparrunden

Eigentlich sollte im Jahr eins nach der Reform der Kulturverwaltung alles anders werden. Doch mitten in den aktuellen Haushaltsberatungen, in denen auch über den Kulturetat gefeilscht wird, sieht es so aus, als wäre alles beim Alten geblieben und würde das große Zittern vor neuen Kürzungsrunden erneut beginnen.

Laut Koalitionsvereinbarung wollen SPD und CDU die Kultur im nächsten Jahr mit 125 Millionen Mark fördern. Nach zwei Jahren, in denen der offizielle Eckwert gekürzt war und diese Kürzung durch Verkäufe von „Tafelsilber“ aufgestockt wurde, liegt der geplante Etat wieder knapp unter dem von 1997.

Allerdings haben die Koalitionäre in den vergangenen Jahren die Zuschüsse für die Kunsthalle, das Gerhard-Marcks-Haus und andere Einrichtungen erhöht. Unter anderem deshalb klafft im Etat zurzeit eine Deckungslücke von sieben Millionen Mark. Die MitarbeiterInnen der reformierten Kulturverwaltung, die dem Vernehmen nach mindestens 1,5 Millionen Mark pro Jahr teurer ist als die Unreformierte, sind dabei, diese Lücke zu schließen.

Vor der Senatssitzung zum Thema Haushalt am 5. Oktober sprachen wir mit der designierten Sprecherin der Kulturdeputation, Carmen Emigholz (SPD), über Deckungslücken, ihre Ansprüche an die neuen KulturverwalterInnen und Alternativen zum Sparen.

taz: Im Kulturetat klafft mal wieder eine Lücke, diesmal sind es sieben Millionen Mark. Wie kann die geschlossen werden?

Carmen Emigholz: Wenn man die Tarifsteigerungen und andere Faktoren mitrechnet, wären es sogar acht Millionen. Ich fordere, dass der Haushalt so gestaltet wird, dass die Einrichtungen weiterarbeiten können. Außerdem erwarte ich von der Kulturbehörde, dass sie bis Mitte der Legislaturperiode ein Finanzkonzept und einen Kulturentwicklungsplan vorlegt. Die Behörde ist ja stark aufgerüstet worden, und wir haben Spitzenkräfte eingekauft. Ihnen muss es möglich sein, mehr als nur Finanzdaten aufzulisten.

Was heißt das: „Den Haushalt so gestalten, dass die Einrichtungen weiterarbeiten können?“

Wenn wir die kulturelle Vielfalt – in touristischer Hinsicht und für die Menschen in dieser Stadt – erhalten wollen, wäre eine Kürzung von sieben Millionen Mark eine existenzielle Bedrohung.

Bei jeder Sparrunde fällt der Blick auf den größten Posten im Etat. Das Bremer Theater erhält zusammen mit dem Orchester über 40 Millionen Mark. Geht der Theaterstreit jetzt in die dritte Runde?

Ich bin der Auffassung, dass für das Theater die hanseatische Tradition gilt und Verträge einzuhalten sind. Das Theater ist in einem spürbaren Aufwind und darf dabei nicht gebremst werden. Auch an die Museen wird man nach dem Gutachten von McKinsey (die Unternehmungsberatung untersuchte 1997 die Bremer Kulturförderung; Anm. d. Red.) nicht rangehen. Manche Leute sehen die Stadtbibliothek als einzigen größeren Sparposten an. Aber bei einem Regionalisierungskonzept muss man dann auch den Mut für die Entscheidung haben, in welchen Stadtteilen Bibliotheken bestehen bleiben sollen und in welchen nicht.

Aber wie erklären Sie denn Ihren Kollegen Sozialpolitikern, die gerade die Bekleidungspauschalen für Sozialhilfeempfänger kürzen, dass in der Kultur nicht gespart werden kann?

Wir dürfen als Kulturleute nicht so tun, als ob wir von der Haushaltsnotlage nicht tangiert sind. Aber es geht jetzt darum, neue Maßstäbe zu entwickeln und nicht immer wieder mit der Diskussion um das Sparen, Sparen, Sparen anzufangen. Wir müssen umdenken und in der Kultur zunächst investieren, um die Eigeneinnahmen zu steigern und dann mittelfristig auch die Förderung verringern zu können.

Aber wie bringen Sie die Kulturleute dazu, an solch einer Kürzungsstrategie selbst mitzuwirken?

Wenn man denen sagt: „Es muss gekürzt werden“, würde ich das auch blockieren. Aber die neue Kulturmanagement GmbH könnte statt dessen eine Vermarktungsoffensive anbieten. Das würde ich mir wünschen, denn wir nutzen die Schönheit dieser Stadt und das reichhaltige Kulturangebot noch gar nicht richtig, um für Bremen zu werben. In den Broschüren der Tourismuszentrale taucht nur das Musical „Jekyll & Hyde“ auf. Museen, die überregional ausstrahlende Ausstellungen machen, oder das Theater mit seiner Inszenierung im Bunker „Valentin“ und andere Kultureinrichtungen fehlen da einfach. Oder nehmen Sie das Beispiel Kultourbahn (eine seit Samstag einmal im Monat fahrende und mit Kulturangeboten gespickte Straßenbahn; Anm. d. Red): Da gab es schon Anfragen von Fachkollegen aus anderen Städten. Neben dem Musical sollten endlich auch Kultureinrichtungen in das Verkehrsleitsystem aufgenommen werden. Es sind einfach viele Potenziale noch nicht ausgeschöpft.

Fragen: Christoph Köster; Foto: Tristan Vankann