: „Berlin ist grau bis scheißefarben“
■ Für den Fotografen Erik-Jan Ouwerkerk ist die Zeit der Berlin-Romantik à la Wim Wenders vorbei
Schwitzende Körper auf der Love Parade, das Brandenburger Tor, das neue Parlamentsgebäude Reichstag. So sieht die Welt Berlin. So sieht Berlin sich selbst. Die Touristen kommen in Scharen, um sich davon zu überzeugen, dass das Berlin aus dem Reiseführer tatsächlich existiert. Erik-Jan Ouwerkerk, Fotograf in Berlin, sagt: „Man hat ein Klischee von der Stadt im Kopf und begibt sich auf die Suche nach Bestätigung.“ Für Ouwerkerk war das romantische Wim-Wenders-Berlin Anfang der Achtziger solch ein Klischee. „Heute ist Berlin bunter, es gibt mehr Neues.“
Eine Schwarzweißaufnahme passe immer noch besser zu Berlin als Farbabzüge. Die seien schon „irgendwie fertig“, sagt er. Die Farben sollten lieber der Fantasie des Betrachters überlassen werden. „Berlin hat ja eigentlich keine eigenen ausgeprägten Farben. Die Stadt ist grau bis scheißefarben.“ Zu Mauerzeiten war für Ouwerkerk das perfekte Foto ein trübes Winterbild, die Stadt vom Smog erdrückt.
Genau dieses Image will Berlin loswerden. Die Stadt soll nicht mehr dreckig und heruntergekommen wirken, sondern modern und offen – wie eine Metropole eben. Eine Gesellschaft für „Hauptstadtmarketing“ will das vermitteln. „Partner für Berlin“ haben den Anspruch, mit bunten Hochglanzfotos den Wandel in Berlin, das Neue zu zeigen. Und das Neueste vom Neuen ist der Potsdamer Platz, Motiv für das neue Jahrtausend. Wie kein anderes Erdloch wurde die Ewig-Baustelle vermarktet.
Anfang des Jahrhunderts charakterisierte die Stadt nichts besser als das Bild einer rotznäsigen Zille-Göre. In den goldenen Zwanzigern waren es Charleston tanzende Damen. Dann die Aufmärsche der Nazis durch das Brandenburger Tor, später das zerbombte Berlin. Ein Foto für jede Zeit.
Das Bild vom lückenhaften Berlin hat sich in den Köpfen festgesetzt. Doch die Ruinen-Romantik ist in den letzten Jahren verschwunden. Die Lücken wurden zugebaut. „Jetzt ist Berlin wie jede andere Stadt“, sagt Ouwerkerk.
Mit der Wende 1989/90 wurde die Mauer als Motiv zum Liebling der Touristen und Künstler. Bilder von der Grenzöffnung am Brandenburger Tor, danach von Mauerspechten oder der East Side Gallery verkauften sich gut. Noch heute, zehn Jahre danach, wird der ehemalige Grenzübergang Checkpoint Charlie täglich hundertfach abgelichtet.
Die Erinnerungsfotos sollen zeigen: Schaut her, ich war da. Keine Postkarte, ein Foto. Das ich gemacht habe. Solche Fotos bleiben ohne jeglichen künstlerischen Anspruch. Der wäre überflüssig. „Touristen, die die Dinge besonders toll fotografieren wollen“, lacht Ouwerkerk „quälen später zu Hause ihre Leute mit Dia-Abenden.“ suk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen