: Selbstverantwortlich und aufgeklärt
■ Der Patientenschutz soll verbessert werden. Das Gesundheitsministerium will dazu eine Arbeitsgruppe bilden. Ob mehr als Alibibekundungen herauskommen, bleibt abzuwarten
Jeder Patient soll zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und nach neuesten medizinischen Erkenntnissen behandelt werden, so will es Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer. Erreicht werden soll dies unter anderem durch eine Stärkung der Patientenrechte.
Das große Ziel: der aufgeklärte Patient, der mehr Selbstverantwortung für Gesundheit und Krankheiten übernimmt.
Damit sich die Patienten auch nicht im Dschungel des Gesundheitswesens verirren, sollen unabhängige Beratungs- und Anlaufstellen geschaffen und Selbsthilfegruppen besser unterstützt werden. So steht es zumindest im Entwurf der Gesundheitsreform 2000. Finanziert werden sollen diese Beratungsstellen von den Krankenkassen, und zwar „gemeinsam und einheitlich“, damit auch ja kein Wettbewerb entstehen kann und die Unterstützungmodalitäten sich nicht unterscheiden.
Das Gute für die Patienten: Bevor eine Behandlung beginnt, können sie sich so ausführlich über Vor- und Nachteile sowie ganz allgemein über den Umgang mit den Beschwerden informieren. Schließlich ist nur ein gut informierter Patient auch in der Lage, dem Arzt – falls nötig – etwas entgegenzuhalten.
Die Patientenrechte zu stärken heißt aber auch, den Patientenschutz zu verbessern. Laut Gesundheitsministerin sollen auch hier die Krankenkassen mehr in die Pflicht genommen werden. Konkret: Die Kassen werden aufgefordert, die Versicherten bei der Rechtsverfolgung von Behandlungsfehlern und den sich daraus ergebenden Schadenersatzansprüchen „verstärkt“ zu unterstützen. Gegebenenfalls soll in zwei Jahren dazu dann auch noch ein Patientenschutzgesetz verabschiedet werden.
So weit, so gut. Die Politik hat den mündigen Patienten entdeckt und sich Patientenrechte und Patientenschutz werbewirksam auf die Fahne geschrieben.
Doch bei der Umsetzung bleibt auch das Gesundheitsministerium wenig konkret. Zum einen soll die Schaffung von Beratungsstellen im Rahmen eines Modellprojektes laufen und zum anderen wird nicht gesagt, wer genau von den Krankenkassen unterstützt werden soll. „Damit wird völlig ignoriert, dass die Patientenunterstützung und die Patientenselbstorganisation in Deutschland längst über ein Modellvorhaben hinaus sind“, kritisiert Christoph Kranich von der Patientenstelle der Verbraucherzentrale Hamburg, „Seit nunmehr 20 Jahren gibt es Patientenstellen, seit über 12 Jahren arbeiten die Verbraucherzentralen auf diesem Feld, und Selbsthilfegruppen gibt es zum Teil noch länger.“ Sein Ziel: Die neu zu gründenden Beratungsstellen und die bereits bestehenden sollen zu einem deutschlandweiten und unabhängigen Patientenberatungs-Netzwerk ausgebaut werden.
Dass eine unabhängige und kostenlose Patientenberatung not tut, zeigen auch die steigenden Zahlen privater Auskunftsdienste. Sie bieten oft gegen hohe Telefon- oder über eine monatliche Mitgliedsgebühr Informationen bei der Auswahl des Arztes an. Wie gut hier aber Qualität und Objektivität sind, kann meistens keiner kontrollieren. Oft stehen hinter solchen Diensten Ärzte, die für die Aufnahme in die Kartei zahlen und folglich weiterempfohlen werden möchten, oder aber kapitalkräftige Konzerne, die mit solch einem Kundenservice ihre Marktchancen verbessern wollen.
Genauso unkonkret wie in Bezug auf die Beratungsstellen sieht es auch beim zukünftigen Patientenschutz aus. Geändert hat sich da in erster Linie nur ein Wort: Bisher galt der Grundsatz, dass Krankenkassen ihre Mitglieder bei der Verfolgung eines Behandlungsfehlers unterstützen können – laut Gesundheitsreform 2000 „sollen“ sie dies nun tun. Aber das war es dann auch schon. Mit keinem Wort wird erwähnt, wie den Patienten geholfen werden soll. Über die Bereitstellung von Infomaterial bis hin zur Übernahme der Prozesskosten, kann das alles besagen.
Dass Handlungsbedarf in Sachen Nachbesserung besteht, das hat wohl auch das Gesundheitsministerium eingesehen. Laut Presseamt soll deshalb im kommenden Oktober eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Länder, der Krankenkassen und der bestehenden Patientenorganisationen gebildet werden, die „weitere Ansatzpunkte für eine Fortentwicklung der Patientenrechte und des Patientenschutzes“ entwickeln soll.
Vom Modellprojekt zur Arbeitsgruppe – ob die Stärkung der Patientenrechte und des Patientenschutzes mehr ist als eine Alibibekundung, das bleibt abzuwarten.
Kim Kindermann
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