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Arzneien mit zweifelhafter Wirkung

21 Jahre nach der Einführung des Arzneimittelgesetzes sind immer noch tausende von alten Medikamenten im Einsatz, die ein Risiko für die Patienten darstellen. Eine Positivliste muss her!  ■   Von Thomas Schulz

In Deutschland sind zur Zeit etwa 45.000 Arzneimittel im Handel, von denen ein nicht unerheblicher Teil 21 Jahre nach Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes immer noch nicht nach den Kriterien dieses Gesetzes geprüft worden ist. Dieser Mangel wurde nicht nur vom Verein Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) wiederholt kritisiert, sondern macht Deutschland auch auf europäischer Ebene zu einem Schlusslicht in der Arzneimittelsicherheit. Untersuchungen von Pharmakologen und Krankenkassen wiesen in den vergangenen Jahre immer wieder auf Milliardenbeträge hin, die von der gesetzlichen Krankenversicherung für Medikamente mit zweifelhafter Wirkung ausgegeben werden. Diese Beträge und die dahinter stehenden Arzneimittelverordnungen sind aus zwei Gründen bedenklich:

Zum einen können solche Präparate, auch wenn sie keine oder nur eine zweifelhafte Wirkung haben, immer noch Nebenwirkungen entfalten und dem Patienten schaden. Man kann eben nicht sagen, wenn es schon nicht hilft, dann schadet es wenigstens nicht.

Zum anderen steht das Geld, das für diese Medikamente ausgegeben wurde, für sinnvolle Therapieansätze nicht mehr zur Verfügung. Es wird mehr Geld von den Versicherten gefordert oder – noch schlimmer – behauptet, es können keine Medikamente mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.

Ein niedergelassener Arzt verschreibt etwa 1.000 Arzneimittel und ist hier schon gefordert, wenn er sich über jedes Präparat ausreichende Kenntnisse aneignen will. Eine Positivliste, die therapeutisch sinnvolle Medikamente beinhaltet und nicht eine Liste billiger Medikamente darstellt, wird eine Hilfe für die niedergelassenen Ärzte darstellen. Sie wird von Teilen der Ärzteschaft und den im VDPP organisierten Apothekern schon lange gefordert.

Darüber hinaus sorgt die Positivliste für eine gewisse Qualitätssicherung in der medizinischen Behandlung, sie stellt keinen Eingriff in die Therapiefreiheit der Ärzte dar. Interessanterweise funktioniert das Konzept der Positivliste in vielen Krankenhäusern teilweise schon seit vielen Jahren zum Nutzen aller Beteiligten. Allerdings hat die Liste dann unverfänglichere Namen wie zum Beispiel Arzneimittelliste.

Eine Positivliste wird auch für die Apotheken die Lagerhaltung deutlich vereinfachen, da nicht mehr 15.000 bis 20.000 Präparate vorrätig gehalten werden müssen, sondern eine Konzentration auf die Medikamente der Positivliste stattfinden wird.

Unter dem Aspekt der Qualitätssicherung für die Patienten begrüßt der VDPP ausdrücklich die Einführung der Positivliste. Die strengen Kriterien der Positivliste müssen aber auch für die Therapeutika der besonderen Therapierichtungen gelten wie etwa Homöopathika und pflanzliche Arzneimittel. Nach Ansicht des VDPP dürfen nicht unterschiedliche Kriterien für Arzneimittel der Schulmedizin und der alternativen Therapierichtungen angelegt werden. Der Patient hat Anspruch auf eine Positivliste, auf der ausschließlich Medikamente mit erwiesener Wirksamkeit und therapeutischem Nutzen zusammengestellt sind. Der Autor ist Mitglied des „Vereins Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten“

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