■ Ein bisschen mehr Soziales, ein bisschen mehr Umwelt
: Die neue Beweglichkeit der Regierung

„Clement, mach uns den Klimmt!“, verlangen die Mitglieder der SPD in Nordrhein-Westfalen. „Gib uns ein Zeichen!“ Und SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement tut es: Er spricht von sozialer Gerechtigkeit, ohne die wirtschaftliche Modernisierung nicht zu denken sei. Denn der Regierende in Düsseldorf weiß: Hält der gegenwärtige Zustand an und ändert sich nicht bald das öffentliche Bild der SPD, gehen auch die Landtagswahlen in NRW im kommenden Frühjahr grandios in den Teich. Da erinnert sich Clement an die Rezeptur, mit der Kollege Reinhard Klimmt im Saarland den befürchteten sozialdemokratischen Absturz bremste: Hoch die Fahne der Gerechtigkeit – ob sachlich begründet oder nicht.

Gerade ändert auch die Bundesregierung ganz sachte ihre Richtung. Man massiert nun die sozialdemokratische Seele, und auch die grünen Stammwähler sollen nicht zu kurz kommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Getreuen scheinen einen Weg zu erkennen, ihre Regierungen in Land und Bund zu retten. Sie müssen die gesellschaftlichen Umbrüche im Sinne ihrer traditionellen Klientel stärker abfedern. Das bedeutet: ein bisschen mehr Soziales, ein bisschen mehr Umwelt.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass Walter Riesters Stern nicht mehr sinkt, sondern steigt. Der SPD-Arbeitsminister war schon arg gebeutelt. Doch nun darf er ein neues Konzept für die Zusatzrente präsentieren: Wer mehr fürs Alter spart als bisher, bekommt vom Staat ein paar hundert Mark pro Jahr dazugeschenkt. Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) steht nicht zurück: Das Programm „100.000 Jobs für Junge“ von Anfang dieses Jahres soll mit neuen Mitteln forgesetzt werden.

Und auch in die Atomdiskussion ist Bewegung gekommen. Die grüne Wählerschaft dürfte freuen, dass die Lufthoheit über die Ausstiegsverhandlungen mittlerweile von Wirtschaftsminister Werner Müller wieder auf die grünen Kabinettsmitglieder Jürgen Trittin und Joschka Fischer übergangen ist. Die saßen in der vergangenen Woche mit den Chefs der Atomkonzerne beisammen. Ohne Billigung des Kanzlers passierte das vermutlich nicht. Egal, was dabei herauskommt – Atom ist Sache der Grünen, und das will man demonstrieren.

Am Anfang der Regierung war Lafontaine: Die Sozialdemokraten liebten ihn. Dann kam Eichel: Viele wandten sich ab. Nun schlägt das Pendel zurück – muss zurückschlagen. Die neue Mitte findet ihre Mitte. Hannes Koch