: „Offen vor den Augen der Polizei“
■ Überraschung und Entlastung bei den Staatsschutz-Prozessen gegen zwei Funktionäre der türkischen Partei DHKP-C
Im Staatschutzprozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht gegen den Aktivisten und mutmaßlichen „Hamburg-Beauftragten“ der türkischen DHKP-C („Revolutionäre Volksbefreiungsfront/Partei“), Ilhan Yelkovan, zeichnet sich eine überraschende Wende ab. Für heute kündigte der Vorsitzende Richter Albrecht Mentz an, die Beweisaufnahme in dem seit Februar laufenden Verfahren zu schließen und den Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereingung“ (Paragraph 129a StGB) fallen zu lassen. Der Vorwurf des Mordes bleibt.
Yelkovan wird von der Bundesanwaltschaft (BAW) vorgeworfen, am 24. April 1997 an einer Racheaktion auf den Besitzer des Wilhelmsburger Imbiss „Ego-Grill“ teilgenommen zu haben, weil dessen Familie eine Verkäuferin der DHKP-C-Zeitung „Kurtulus“ sexuell angemacht hatte. Bei der Ausenandersetzung war der Imbiss-Besitzer von einem der Beteiligten erschossen worden.
Das Verfahren gegen Yelkovan war 1998 eingestellt worden, weil bei ihm bei seiner Festnahme keinerlei Schmauchspuren gefunden worden waren. Das Verfahren wurde jedoch wieder aufgenommen, weil der Verfassungsschutz bei Abhöraktionen Erkenntnisse gewonnen haben will, die in „verschlüsselter Form“ eine Täterschaft erkennen lassen würden. Wenn der Fahrplan Mentz eingehalten wird, plädiert heute die Bundesanwaltschaft.
Im Parallelverfahren vor dem gleichen OLG-Senat gegen den Ex-DHKP-C-Pressesprecher und Journalisten Mesut Demirel, dem neben 129a auch die „psychische Beihilfe an einer versuchten Tötung“ am 5. September 1997 in Altona sowie „ideologische Mittäterschaft“ an Brandanschlägen angelastet wird, hat am letzten Prozesstag der DHCP-C-„Deutschlandbeauftrage“ Serefettin Gül ausgesagt. Gül war im vorigen Jahr zu zehn Jahren Knast verurteilt worden.
Gül versicherte, dass Demirel zu keinem Zeitpunkt in Führungsstrukturen ein- oder „an Weisungen gebunden war“ sowie auch „keine Weisungen gegeben“ habe. „Er war redegewandt und hat daher öfter Interviews gegeben“, erklärte Gül. Den Vorwurf der „Terror-Vereinigung“ wies er zurück: „Wir haben nicht konspirativ, sondern offen vor den Augen der Polizei gearbeitet.“ Kai von Appen
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