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Wiedergutmachung privatisiert

Bürger spenden 5400 Mark für NS-Zwangsarbeiterin. Senat verweigert Entschädigung und muß nun doch vor Gericht  ■ Von Elke Spanner

Der Kompromiss ist da. Er ist billig. Und für den Hamburger Senat sogar umsonst: Der lehnt den Vergleich zur Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiterin Stanislawa R. ab. Um gleichwohl „nicht den Eindruck zu erwecken, dass nach vielen Jahren juristischer und völkerrechtlicher Auseinandersetzung auf Zeit gespielt werden soll“, werden der 72jährigen einmalig 5400 Mark gezahlt – von BürgerInnen Hamburgs.

Die spendablen Privatleute stehen laut Senatssprecher Ludwig Rademacher bereits fest, „in wenigen Tagen wird das Geld da sein“. Wer dem Senat dergestalt aus der Patsche hilft, verriet er indes nicht. Der Betrag ist angelehnt an die Zahlungen der „Hamburger Stiftung für NS-Verfolgte“ an ehemalige ZwangsarbeiterInnen, die noch heute in Hamburg leben. Deren Höchstbetrag liegt bei 6500 Mark.

Aus dem Stadtsäckel wird Hamburg die Polin nicht entschädigen, die im Sommer 1943 auf das städtische Gut Erfrade verbracht und zur Zwangsarbeit gezwungen worden war. Denn die individuelle Regelung eines einzelnen Bundeslandes könnte der Gründung einer schon lange in Aussicht gestellten Bundesstiftung in die Quere kommen, sagt Rademacher. Das Bundesfinanzministerium hatte den Senat vorige Woche davor gewarnt, sich auf Vergleiche einzulassen.

Das bezeichnet der Anwalt von Stanislawa R., Dieter Wissgott, gegenüber der taz als „unerträgliche Doppelzüngigkeit“ der Bundesregierung. Dem Senat wirft er vor, sich dem gefügt zu haben: „Wir haben Rechtsansprüche geltend gemacht. Was man uns jetzt anbietet, ist eine kleine humanitäre Hilfe.“

In Hamburg ist der Fall von Stanislawa R. der einzige, der vor dem Arbeitsgericht anhängig ist. Rund 25.000 Mark Entschädigung hatte die Polin gefordert. Ende August hatte das Arbeitsgericht dem Senat als Beklagtem nahegelegt, ein aufwendiges und langwieriges Gerichtsverfahren zu vermeiden und einen Vergleich über eine einmalige Zahlung in Höhe von 13.000 Mark abzuschliessen.

Nachdem er den Vergleich gestern abgelehnt hat, will der Senat beim Arbeitsgericht nun beantragen, den Prozess auszusetzen, bis die Stiftung eingerichtet ist und der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eine Grundsatzentscheidung über die Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen getroffen hat. „Dem werde ich nicht zustimmen“, so Rechtsanwalt Wissgott gestern entschieden. Nun kommt es zum Prozess – in dem die Stadt zur Zahlung von rund 25.000 Mark verpflichtet werden könnte.

Für die GAL ist die Senatslösung „Bekenntnis zur Verpflichtung gegenüber Opfern des Nationalsozialismus“, fürdie Regenbogen-Gruppe „schäbiges Geschachere“.

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