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Blairs Visionen kommen aus den USA

■ Auf dem Parteitag von New Labour schwärmt der Premierminister von Flexibilität statt sozialer Partnerschaft. Selbst der Applaus ist eingeplant. Kritik findet vor der Tür statt

Dublin (taz) – Früher war alles anders. Früher waren die Labour-Parteitage immer für eine Überraschung gut. Doch der britische Premierminister Tony Blair liebt keine Überraschungen, und so ist der jährliche Parteitag heutzutage sorgfältig choreographiert. Bei Blairs Rede gestern Nachmittag im englischen Seebad Bournemouth waren selbst die Stellen für den Applaus festgesetzt.

Der Premierminister stellte seinen Fahrplan für die Erneuerung der moralischen Werte im 20. Jahrhundert vor. Labour sei die Partei der Modernisierung, frei von überholten Ideologien mit dem Ohr am Zeitgeist, sagte er. Die Bürger sollen künftig „nach Potenzial und Talent aufsteigen und nicht nach Privileg oder Klasse“. Blair zählte die Erfolge auf, die Labour auf halber Strecke zwischen zwei Wahlen erreicht habe: Die Investitionen in Bildung und Gesundheit zeigen erste Resultate, demnächst sei sogar Vollbeschäftigung erreichbar. Nun soll auch für Sport, Kultur und Freizeit Geld bereitgestellt werden. Da Labour weder von Lobbygruppen noch von regionalen Interessen abhänge, könne die Partei die Veränderungen durchsetzen, die notwendig sind, damit sich „Britanniens kollektives und individuelles Potenzial“ entfalten könne.

Besonderes Augenmerk will Labour auf die Drogenkriminalität legen. In der kommenden Legislaturperiode sollen willkürliche Drogentests bei Verdächtigen eingeführt werden. Bürgerrechtsgruppen laufen Sturm dagegen.

Blairs Vision von Großbritannien, das wurde bei seiner Rede deutlich, lehnt sich stärker an die USA als an Europa an, was das wirtschaftliche und soziale Gefüge angeht: Flexibilität statt sozialer Partnerschaft. Darin ist er sich mit seinem Schatzkanzler Gordon Brown einig. Dabei hatte der Parteitag nicht gut angefangen, am Vorabend hatte es Streit zwischen Blair und Brown gegeben. Browns Berater Ed Balls hatte erklärt, dass die Voraussetzungen für Britanniens Beitritt zur Währungsunion bis mindestens 2005 nicht erreicht sein werden. Außerden kramte er sein sieben Jahre altes Pamphlet wieder heraus, in dem er den Euro als wirtschaftlich und politisch fehlentwickeltes Projekt bezeichnet hatte. Blair möchte, dass Brown seinen Berater zurückpfeift, denn er visiert ein Referendum über den Beitritt gleich nach den nächsten Wahlen an.

Brown ist nicht gut auf Blair zu sprechen, nachdem dieser am Sonntag verkündet hat, er wolle es Margaret Thatcher gleichtun und drei Wahlen hintereinander gewinnen. Brown hatte sich Chancen auf die Nachfolge ausgerechnet, wenn Blair nach seinem nächsten Wahlsieg zurücktreten würde.

Beim Parteitag ist jedoch aller Zwist unter den Teppich gekehrt worden. Mehr als hundert Dringlichkeitsanträge zur Geschäftsordnung sind von den Organisatoren der Konferenz nicht zugelassen worden, die Kritik an Blairs letzter Phase der „Modernisierung“ fand nur außerhalb des Saales statt. Blair will die Ausschüsse in den regionalen Parteiorganisationen abschaffen und stattdessen Mitgliederversammlungen einführen. Es gehe ihm darum, „langweilige Verwaltungssitzungen durch politische Diskussionen“ zu ersetzen.

Worum es wirklich geht, steht in dem internen Bericht von David Evans, Labour-Direktor im Nordwesten. „Wenn man es richtig macht, werden die Modernisierungskräfte in der Partei gestärkt und Old Labour marginalisiert.“ Um eine Revolte der Basis zu verhindern, soll der Vorschlag ein Jahr lang diskutiert und erst beim nächsten Parteitag abgesegnet werden. Ralf Sotscheck

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