: Staatsspitze verurteilt
■ Grundgesetz stand Bestrafung von DDR-Funktionären nicht im Wege
Ihr Alter und die damit verbundenen Krankheiten haben etliche DDR-Regierungsmitglieder vor der Bestrafung bewahrt. „Von sich aus hätten sie nicht aufgegeben“, ist Professor Werner Platz überzeugt, der Honecker, Mielke, Stoph und Albrecht für das Gericht psychatrisch begutachtet hat. „Sie wollten das unbedingt durchstehen. Sie glaubten an das, was sie gemacht haben.“
Im ersten großen Prozess gegen Mitglieder des Nationalen Verteidungsrates wegen der Todesschüsse an der Grenze war erst Willi Stoph wegen Verhandlungsunfähigkeit ausgeschieden. Es folgten Mielke und Honecker. Ihre Mitangeklagten Heinz Keßler, Fritz Streletz und Hans Albrecht wurden im Herbst 1993 vom Berliner Landgericht wegen Anstiftung zum Totschlag zu Haftstrafen zwischen vier und siebeneinhalb Jahren verurteilt.
Ihre Beschwerde gegen das Urteil wurde im November 1996 vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen. Im Mittelpunkt stand damals die Frage, ob nicht das im Grundgesetz verankerte Rückwirkungsverbot einer Bestrafung der DDR-Funktionsträger im Wege steht. Die Verfassungsrichter befanden, dass das Grenzregime der DDR Unrecht war und gegen übergeordnete Rechtsnormen wie die auch von der DDR unterzeichnete UN-Menschenrechtskonvention verstieß. Dadurch wurde eine Strafbarkeit erreicht, obwohl nach dem Wortlaut der DDR-Gesetze eine Bestrafung wegen der Todesschüsse an der Mauer nicht begründet zu sein schien. Kritiker sehen darin den Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.
1997 wurde der letzte DDR Parteichef Egon Krenz zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, die Politbüromitglieder Günter Schabowski und Günther Kleiber zu jeweils drei Jahren. Die Mauerschützen kamen in der Regel mit Bewährungsstrafen davon. Nur bei regelrechten Hinrichtungen an der Grenze wurden Haftstrafen verhängt. Fünf beziehungsweise dreieinhalb Jahre Haft ergingen auch gegen zwei Richter des Obersten Gerichtes der DDR, die in den Fünfzigerjahren Todesstrafen verhängt hatten.
Insgesamt wurden 32 Angeklagte zu Knast verurteilt, 4 sitzen heute noch. Einer ist der zu sechseinhalb Jahren verurteilte Ex-Chef der Grenztruppen, Klaus-Dieter Baumann. Er befindet sich aber im offenen Vollzug. Plutonia Plarre
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