: Der Fernseher im Clubkontext
■ Sexodrome“: Safy Sniper eröffnet im WMF eine VJ-Reihe
Als Techno in den frühen Neunzigern dem Bandkonzept und den damit verbundenen Pop-Ikonografien das Licht ausknipste, brauchte man für eine korrekte Party nicht viel mehr als die grellen Impulse eines Stroboskops, um den Dancefloor zu illuminieren. Das binäre An und Aus ergänzte bestens den Drogenverbund aus Ecstasy und repetitiven Beats und wusste sich in einer langen Tradition von Psychedelika aus den 60ern. William S. Burroughs' Weggefährte Bryon Gysin etwa hatte damals mit der Dream Machine ein Werkzeug entwickelt, das dem Auge nichts als bewusstseinsveränderndes Flickern anbot.
Heute wie damals dauerte es allerdings nicht lange, bis sich aus einem minimalistischen Konzept neue Formen visuellen Designs entwickelten. Neben den DJs etablierten sich VJs in den Kellerclubs. Till Vanish etwa versorgte damals die Ständige Vertretung mit hypnotischen Feedbackspiralen, indem er bewegte Bilder vom Monitor aufnahm und direkt wieder in den Videokanal einspeiste. Auch visomat inc. experimentieren kreativ mit ihrer Hardware und manipulieren die Kathodenstrahlen eines Fernsehers direkt, um Effekte auf dem Bildschirm zu erzielen. visomat inc. bespielten zusammen mit Daniel Pflumm bereits früh das WMF, das als einer der ersten Clubs der visuellen Gestaltung von Partys einen eigenständigen Platz einräumte. Als Resident VJs organisieren sie dort jetzt eine sechsmonatige Reihe mit einflussreichen Protagonisten des Genres.
„Berlin Club Video“ startet heute mit den notorischen Loops von Assaf Etiel alias Safy Sniper, die das allgegenwärtige Material aus TV und Video unter dem Titel „Sexodrome“ in manische Schleifen zwingen. Safy scratcht Hollywood-Sequenzen von der Laserdisc: Da fasst sich ein John Travolta gähnend immer wieder in den Schritt, steht auf und setzt sich wieder hin, während die Choreografien großer Tanzszenen in Technicolor durch Play und Rewind dekonstruiert und neu interpretiert werden. Oder er treibt die zynische Banalität der Medien bis zum Äußersten: Bilder aus freundlichen Nachmittagsprogrammen werden mit Aufnahmen aus den täglichen Kriegsschauplätzen und pornografischem Material abgemischt – ein Spiel mit den Images des Banalen und Totalitären, das auch in Etiels eigenem Etablissement Sniper zu sehen ist: Da hängt dann Stalin an der Wand, neben einem netten Mädchen mit Zöpfen oder einem Schäferhund.
Neben dem bereits mehr oder weniger toten Medium Laserdisc arbeitet Safy seit kurzem mit der digitalen Videoschnittmaschine Casablanca, einer Consumeranwendung für den Hausgebrauch, die für das schnelle Erstellen von Loops umgenutzt wird.
In den folgenden sechs Monaten werden auf „Sexodrome“ Abende mit monitor.automatique, Rechenzentrum, mediamorph, Vanish RGB und visomat inc. selbst folgen. Monitor.automatiques „Partyhelden“ nehmen sich nächsten Monat noch einmal das Konzept des Clubs als solches vor. Es werden Sequenzen zu sehen sein, die am selben Abend von Kameras im Club aufgenommen wurden. Für monitor.automatique treffen sich so Überwachungstechnologie und Wunschproduktion. VJ-Culture wird zur Rationalisierungsmaßnahme, und Wolfgang Tilmanns kann zu Hause bleiben. Ulrich Gutmair ‚/B‘Safy Sniper: „Sexodrome“, DJs: Maurice (Mainfloor), CGB-1 (Lounge), heute, ab 23 Uhr, WMF, Johannisstr. 20
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