: Regierung per Deklaration
■ Moskau setzt in Tschetschenien eine Regierung ein. Weiter gebomt wird trotzdem
Moskau (taz) – Der Kreml verfolgte in den letzten Wochen zwei Ziele in Tschetschenien: Dessen Banden auf ihrem eigenen Territorium zu vernichten und eine Moskau-hörige Regierung einzusetzen. Während die Bodentruppen der russischen Föderation in Bezug auf das erste Ziel am Wochenende noch in der Vorbereitungs steckten, erfüllte Premier Wladimir Putin das zweite Ziel im Handumdrehen – per Deklaration.
Putin traf sich am Freitag mit elf Exdeputierten eines 1996 kurz existierenden Parlaments der Republik Tschetschenien. Dabei bezeichnete er jenes Parlament als einzige legitime Staatsmacht im heutigen Tschetschenien. Diese Volksvertretung war 1996 vor den Gewehrläufen der russischen Soldaten „gewählt“ worden, die damals noch die Hälfte des Landes besetzt hielten. Die Deputierten flohen zwei Monate später, mit dem ebenfalls eingesetzten Präsidenten, Doku Sawgajew.
Ob Sawgajew auch Präsident der jüngsten Marionettenregierung werden soll, ist noch nicht bekannt. Dagegen sagte Ministerpräsident Putin dem Rumpfparlament und seinem Sprecher, Amin Osmayew, innerhalb der nächsten Tage ein eigenes Gebäude in Moskau zu. Dort sollen sie Hilfsmittel für die Flüchtlinge verwalten. Unklar blieb dabei, auf welche Akklamationsbasis sich das „Exilparlament“ stützen soll. Putin deutete an, dass die in den letzten Tagen geflüchteten, zirka 120.000 BürgerInnen der Republik, dafür ausreichten. Die Hoffnung, das einfache TschetschenInnen eine von Moskau eingesetzte Regierung akzeptieren, halten dagegen unabhängige Beobachter für verfehlt.
Der russische Premier äußerte sich nicht zu der Frage, ob er Tschetscheniens offiziellem Präsidenten, Aslan Maschadow, noch die Hand zu reichen gedenkt. Maschadow hatte maßgeblich zur Befreiung seines Landes beigetragen. Doch dann vermochte er sich nicht gegen die kriminellen Elemente durchzusetzen. Totzdem hat Moskau stets mit ihm verhandelt. Im Mai 1997 schloss Präsident Jelzin mit ihm einen Friedensvertrag.
Zum Sonnabend hatte Maschadow in Grosny einen „Kongress des Tschetschenischen Volkes“ einberufen, zu dem er auch Vertreter der Jelzin-Administration und beider Kammern des Parlaments eingeladen hatte – offenbar zu spät. Barbara Kerneck
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