: Herr Hefele kriegt zwei Minuten
■ Albert Hefele
Obwohl wir das Handy erfunden haben und nicht mehr an der Baumrinde nagen, dürfte jedem denkenden Individuum klar sein: Der Mensch ist nur ein Tierchen unter vielen anderen. Doch, das ist garantiert so, auch wenn es viele Leute nicht glauben wollen. Das Worte „Seele“ fällt. Hinter gewichtig geblähten Nasenlöchern spricht es von „entscheidungsfähig“ und „eigenverantwortlich“.
Was ist da los? Warum mögen blonde Tennisfrauen Glatze und schrille Hosen?
Ich will nun beileibe nicht auf den zu jeder Jahreszeit und in jeder Generation stattfindenden und stattgefunden habenden Massakern und Perversitäten herumreiten, die im allgemeinen als Indiz für die Minderwertigkeit der menschlichen Rasse präsentiert werden. Weil – es braucht überhaupt keine Ausnahmezustände im Sinne kriegerischer Auseinandersetzungen oder rassistischer Pogrome, um die ganz oben gestellte Behauptung zu untermauern. Glauben Sie nicht? Passen Sie auf: Oktoberfest. Dieses Wort haben Sie schon gehört. Lauschen Sie diesem Wort bitte eine Weile nach und lassen Sie die Assoziationen einfach strömen. Oktoberfest ... Na? Gell, da tut sich was! Landhausmode. Stilisierte Hirschhornknöpfe und modisch variierte Haferlschühchen. Die Frau von Jürgen Drews steckt in einem Dirndloberteil und spricht: „Meinen Bauch zeig' ich recht gerne.“ Frau Feldbusch guckt mit verzweifelter Anstrengung fröhlich, während sie angeekelt Autogramme schreibt. Lothar Matthäus zeigt sein Weizenbier. Sonst: rote Schädel, wässerige Augen, Menschen mit Pflastern auf der Nase. Weit aufgerissene Mäuler, wie Schilfrohr im Wind schwankende, ständig pinkelnde Herren und laut lärmende Damen.
Stimmung? Die gleiche Stimmung herrscht täglich im Affenkäfig, wenn Sie mich fragen. Mich fragt natürlich niemand, und darum möchte ich nun endlich zur Sache kommen, die da heute heißen soll: Wir sind allesamt programmierte, hilflose Wesen und unseren Prägungen und Affinitäten wehrlos ausgeliefert. Warum mögen zum Beispiel blonde deutsche Tennisspielerinnen Typen mit ratzenkurz geschorenen Haaren und seltsamen Hosen?
Sie ahnen, worauf ich hinauswill? Natürlich Graf, natürlich Agassi. Wer am Wochenende in München war, wer letzte Woche in München war, stolperte ständig über die beiden. In Wort und Bild. Traumpaar. Ehe und Kind sind praktisch schon ausgemacht. Gähn – und aus meiner Sicht längst abgehakt, wäre da nicht diese seltsame Beziehungs-Parallelität in Form von Anke Huber und Andrej Medvedev. Ein Double-Paar. Die junge Deutsche und der Ukrainer. Nun ja ...
Jedenfalls – beide nicht ganz so prominent, mithin ist auch nicht ganz so interessant, im Hinblick auf das, was sie so treiben. Graf/Agassi für Arme, könnte man zynisch variieren. Machen wir natürlich nicht, sondern erinnern uns freundlich an Anke Huber. Das ist die kleine, wie gesagt blonde ... war früher mal im Finale der Weltmeisterschaft in New York ... fünf Sätze gegen Graf... Kindermilchschnitte. Ein freundliches, harmloses Kind, das plötzlich auf der Tribüne jubelte, wenn Medvedev siegte und die Buhle im Schlepptau des als Lebemann und Bonvivant verschrieenen Medvedev gibt. Siehe Graf, siehe Agassi. Deuce! Inhaltlich wie optisch. Auch der Ukrainer kann sich mit dem Schwamm kämmen und trägt mit Vorliebe eine grauenhaft karierte, knielange Hose auf dem Court. Auch Agassi wurde immer wieder wegen seiner schrillen Hosentracht gerügt.
Das ist doch kein Zufall! Was ist da los? Warum mögen unsere blonden Tennisfrauen solche Burschen? Welche frühen Strukturen brechen sich da Bahn? Die Glatze als ein dem Tennisball ähnelndes Gebilde – das wäre noch harmlos und geradezu süüüß. Aber: die Glatze als Kürzel für hohe Testosteronwerte und damit brutale Männlichkeit? Plus der auffälligen, den Genitalbereich quasi mit einem Ausrufezeichen versehenen Hose...? Ist es das? Können unsere deutschen Tennisfrauen so sein? Man wagt es gar nicht zu Ende zu denken.
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