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■ KommentarScham  Die deutsche Blamage bei der Zwangsarbeiter-Entschädigung

Welches Angebot wem die Schamröte ins Gesicht treibt, unterliegt bekanntlich der jeweiligen Schamkultur. In dieser Hinsicht ist Wolfgang Gibowski, Sprecher des Industriefonds zur Entschädigung der Zwangsarbeiter des Dritten Reiches, offensichtlich mit einer Lederhaut ausgestattet. Was anderes als Scham soll man empfinden angesichts des Resultats von sechs Monaten Verhandlungen, die mit einer großzügigen, wenngleich späten Geste, der Vorstellung des Industriefonds, begannen, um sogleich in elendem, kleinkariertem Schacher zu enden.

Wenn in diesen Tagen bei den Washingtoner Verhandlungen schließlich die Summe von 6,9 Milliarden Mark genannt werden wird, heißt es: Vogerl, friss oder stirb. Denn für die Ex-Zwangsarbeiter zählt jede Woche.

Der Fonds war als großzügige Geste gedacht. Was dieser Ankündigung folgte, war das Gegenteil. Vor allem sollten mit dem Fonds weitere Ansprüche der Zwangsarbeiter ein für alle Mal erledigt werden. Es ging also nicht um späte Gerechtigkeit, sondern um Flurbereinigung. So geriet über endlosem Feilschen zum Schutz deutscher Konzerne vor doppelter Zahlung das Schicksal der Zwangsarbeiter aus dem Blick. Im Streit um die Rechtssicherheit ging ein weit elementarerer Grundsatz verloren: die verletzte Gerechtigkeit wiederherzustellen.

Dabei hätte die deutsche Seite sich einfach auf das Selbstverständliche besinnen müssen: nämlich, dass für getane Arbeit Lohn zu zahlen ist. Es waren die Zwangsarbeiter, die der deutschen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs zu einem erträglichen Lebensstandard verhalfen. Sie hielten die landwirtschaftliche Produktion am Laufen, versorgten auch die zivile Produktion mit Industriegütern und füllten die Kassen der Sozialversicherungen. Sie waren es, die die Vorbedingungen für das spätere deutsche Wirtschaftswunder erarbeiteten.

Deutschland hat diesen Menschen einen Teil ihrer Jugend gestohlen, vielen, die nach 1945 von den Realsozialisten als „Kollaborateure“ verfolgt wurden, auch ihre Zukunft. All das wurde in den Verhandlungsrunden wahrhaft kleingearbeitet. Hoffen wir wenigstens, dass der beschämende Verhandlungspoker nun sein Ende findet. Und dass die Gelder rasch und unbürokratisch ausbezahlt werden. Oder ist auch das nur eine Ankündigung? Christian Semler

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