Welke Tapeten

Im Kaffee Burger in der Torstraße isst man noch Kassler mit Ei und tanzt im Schein kordelbehangener Lampen  ■   Von Katja Hübner

Gugelhof, Maxwell, Silberstein, Café Eckstein: Das Kaffee Burger könnte sich, was den Namen anbelangt, problemlos in die Reihe der aufstrebenden Gastronomieunternehmen einfügen, die mittlerweile in den so genannten Szenebezirken den Ton angeben. Doch das Kaffee Burger ist kein „Café“, sondern wird seit 1946 mit K, a, Doppel-f und Doppel-e geschrieben. Dafür zeichnet der Kunstschmied verantwortlich, der die im Krieg zerstörte Fassade durch ein gußeisernes Gitter verschönerte. Kaffee war für ihn Kaffee, was sonst. Man beließ es dabei.

Das Kaffee Burger liegt in der Torstraße in Berlin-Mitte, ganz in der Nähe des Rosa-Luxemburg-Platzes. Da, wo sich tagsüber ein Auto an das andere reiht. „Tische rausstellen lohnt nicht“, sagt die Chefin, Frau Burger, „wer würde sich da schon hinsetzen?“ Betritt man das bereits seit 1890 existierende Etablissement, so fühlt man sich wie in einer Zwischenzeit angekommen, fern jeglicher Hektik. Neben Lampions und Lichterketten, einem überdimensionalen Landschaftsfoto und einem ebenso großen chinesischen Fächer leuchten im Gastraum auf weißen Tischdecken hellgrüne Kerzen. Die werden immer erst dann angezündet, wenn Frau Burger die Bestellung aufnimmt. Ansonsten spenden kordelbehangene Lampenschirme gedämpftes Licht. Die an der Wand geblümte Velourtapete gehört genauso zum Café wie das durchtanzte Holzparkett, die Schwingtür und die bourdeauxfarbenen Stores. Ein bisschen Fasching, ein bisschen Erntedankfest. Ein wenig Silvester und Kronprinzenpalais, ein wenig Eckkneipe.

Früher verkehrte im Kaffee Burger eine illustre Gesellschaft aus Vergnügungssüchtigen. In der oberen Etage wurde Billard gespielt, unten trank und speiste man. In den mit roten Vorhängen versehenen Separées saßen Geschäftsmänner mit ihren Freundinnen. „Da machte man den Vorhang auf, und dann, na ja“, sagt Frau Burger und schaut vielsagend nach oben. Das ging so lange, bis in den 30ern die Sitte kam. Die Separées wurden verboten. Im Osten trafen sich hier Omas aus der Umgebung zum Likörtrinken und zum Plausch, genauso wie einige junge Leute mit auffälligen Frisuren. Auch an prominenten Gästen mangelte es damals nicht. Klaus Schlesinger, Bettina Wegner, Katharina Thalbach, Peter und Thomas Brasch – alle waren da. Vielleicht auch wegen der umfangreichen Speisekarte. Von Meerrettichsteak über Champignonsteak und Letschosteak war – und ist bis heute – für jeden Geschmack etwas dabei, auch Kassler mit Ei. Und für die Vegetarier gibt es Salat.

Obwohl heute noch vieles an die Zeit in der DDR erinnert, zum Beispiel die Stühle und Tische oder die Soljanka und das Ragoût fin, war das Kaffee Burger nie ein typisches DDR-Café. Genausowenig, wie es ein typisches BRD-Café wurde: Bis 1995 machte das Kaffee Burger zum Beispiel rigoros um Mitternacht zu. Was die sympathische Kellnerin aber nicht daran hinderte, eine halbe Stunde vorher, bewaffnet mit hautfarbenen Plastikhandschuhen und Schrubber, dem Schmutz den Kampf anzusagen. Auch das große Bier wurde erst lange nach der Wende eingeführt.

Im Kaffee Burger kann man jedoch nicht nur essen und trinken, es darf auch getanzt werden. Für gewöhnliche Cafés ungewöhnlich, gibt es hier einen Kassetten-DJ hinter dem Tresen. Meistens laufen deutschsprachige Schlager, von „Am weißen Strand von St. Angelo“ bis zum „Fischer von San Juan“, aber auch Boney M. oder zu später Stunde, auf speziellen Wunsch der Jugendlichen, schlechter Techno. Das Besondere am Kaffee Burger aber sind seine Geschichten. Wenn, wie jeden Freitag, das Tanzbein geschwungen wird, kann es schon mal passieren, dass der Ex-Punker mit seiner früheren Arbeitskollegin tanzen muss – einer sechzigjährigen Sekretärin aus der Verwaltung der Berliner Verkehrsbetriebe. Oder dass die Kellnerin einem berichtet, wo in der Umgebung ein Mörder wohnt.

Leider ist mittlerweile nicht nur die Kellnerin gestorben, sondern sind auch solche Abende in den letzten Jahren seltener geworden. Die Gäste bleiben aus. Zu einer der letzten Faschingsveranstaltungen beispielsweise kam nur ein einziges Pärchen. Der Mann, mit einem kleinen Hütchen auf dem Kopf, schaute grimmig in die Runde, während die Ehefrau, in Schale geworfen, vergeblich auf den ersten Tanz wartete. Aber Konzessionen macht das Kaffee Burger deshalb nicht. Darts, Spielautomaten oder einen Fernseher wird man hier vergebens suchen. Zur Freude der verbliebenen und der ehemaligen Stammgäste, die ab und an, meist einmal im Jahr, vorbeischauen und freudig bemerken: „Hach, schön, dass es euch noch gibt.“ Lange bestimmt auch nicht mehr. Nachdem „Tante Olga“ in der Linienstraße und die „Alt-Berliner Bierstuben“ in der Schönhauser Allee bereits ihre Pforten schließen mussten, wird wohl auch das Kaffee Burger bei der nächsten Mieterhöhung zumachen müssen. „Obwohl“, und ein wenig hellt sich die Miene der Chefin auf, „es natürlich auch Pläne gibt, das Kaffee Burger weiterzuführen. So wie es ist. Von jungen Leuten.“