: Bürgerbüros 2001 nur auf dem Papier
■ Grüne Bürgermeister kritisieren Umsetzung der Verwaltungsreform
An der Wand hängen Kinderbilder, in einer Ecke liegt verstreut Spielzeug herum. Ein Mann kommt in das Bürgerbüro im Rathaus Schöneberg und zieht eine Nummer. Warten muss er aber nicht. In dem Großraumbüro, in dem sechs MitarbeiterInnen arbeiten, kann er sich gleich an eine der SachbearbeiterInnen wenden. Als erste Anlaufstelle helfen sie den Bürgern durch den Behördendschungel. Die ehrgeizigen Pläne, dass dort einmal Pässe und Personalausweise ausgestellt werden und auch Sozialhilfeanträge bearbeitet werden, sind allerdings noch Zukunftsmusik.
Am Beispiel der Bezirke Schöneberg und Tempelhof machte die grüne Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Schöneberg) deutlich, wie der Bezirk die Verwaltung bürgerfreundlicher gestalten will. Derzeit gibt es zwei Bürgerbüros. Nach der Fusion der beiden Bezirke im Januar 2001 soll es sieben Filialen mit integrierter Meldestelle geben. Doch die Realisierung droht am fehlenden Geld zu scheitern, erklärte gestern die Schöneberger Bürgermeisterin. Gemeinsam mit den grünen Bezirksbürgermeistern Jörn Jensen (Tiergarten) und Franz Schulz (Kreuzberg) zog sie im Rathaus Schöneberg am Ende der Legislaturperiode des Senats Bilanz.
Mit der Fusion der Bezirke sollen einige Kompetenzen des Senats auf die Bezirksverwaltungen übertragen werden, darunter auch die Meldebehörden. So jedenfalls sieht es das Zweite Verwaltungsreformgesetz vom 28. Mai 1998 vor. Doch wie der Kreuzberger Bürgermeister gestern kritisierte sind „Kernfragen der Kompetenzübertragung“ vom Landeseinwohneramt auf das Bezirksamt bis heute nicht geklärt. „In diesen anderthalb Jahren“, sagt Schulz, „ist enorm viel Papier produziert worden“ – Papier, das zwischen den Bezirken und der Senatsinnenverwaltung hin und her geschickt worden sei, ohne Ergebnisse.
Ziemer warf der Innenverwaltung vor, die Arbeitsfähigkeit der Bezirksämter bewusst zu blockieren. Finanzmittel seien nicht zur Verfügung gestellt worden und im Personalbereich werde an den Stellen überproportional gespart, die in Zukunft an die Bezirksämter abgegeben werden. „Was im Moment läuft, ist Chaos und das wird uns vor die Füße geworfen“, sagte Ziemer.
Die Innenverwaltung wollte sich zu den Vorwürfen gestern nicht äußern. Die drei grünen BezirksbürgermeisterInnen forderten ein Projektmanagement des Senates, einen Aufgabenkatalog für die Bürgerämter und die Bereitstellung von Sachmitteln zur Umsetzung der Pläne. Eine Entscheidung müsse noch in diesem Jahr getroffen werden, sonst werde es auch im Jahr 2001 keine arbeitsfähigen Meldestellen in den Bürgerbüros geben. Jan Brandt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen