: Kein Verfälschungsschutz beim Verfassungsschutz
■ Vorwürfe vom SFB in Scientology-Affäre: Protokolle wurden verfälscht. Staatssekretär Böse setzte Staatsanwaltschaft unter Druck
In der Affäre um den leitenden Polizeidirektor Otto Dreksler hat das Landesamt für Verfasssungsschutz Vernehmungsprotokolle gefälscht. Diesen Vorwurf hat gestern das SFB-Magazin „Kontraste“ erhoben. Zudem sollen Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky massiv versucht haben, auf die Staatsanwaltschaft einzuwirken. Ihr Ziel: Das kurz zuvor eingestellte Ermittlungsverfahren gegen Dreksler wieder aufrollen zu lassen.
Dem SFB zufolge hat der Verfassungsschutz Protokolle eines auf Dreksler angesetzten V-Manns verfälscht, um diesen zu belasten. Dreksler war im Frühjahr 1998 der Mitgliedschaft bei Scientology bezichtigt worden. Erst Monate später hatte sich herausgestellt, dass die Informationen des Verfassungsschutzes falsch waren. Dreksler wurde rehabilitiert. Aus Aktenvermerken geht hervor, dass der V-Mann „Junior“ Dreksler nie eindeutig belastet hat.
Innenstaatssekretär Böse wies gestern den Vorwurf der versuchten Justizbeeinflussung gegenüber der taz zurück. Der Bericht von Kontraste enthalte seines Wissens „keine Erkenntnisse, die nicht schon im Verfassungsschutzausschuss vorgetragen und in den Medien diskutiert worden“ seien.
Die Fraktionschefin der Bündnisgrünen, Renate Künast, sieht das allerdings völlig anders. „Wenn der Kontraste-Bericht zutrifft, ist das ein neuer Verfassungsschutzskandal.“ Es verfestige sich der Eindruck, dass der Innenstaatssekretär ein „ganz besonderes Interesse“ gehabt habe, den Nachweis für eine Scientolgy-Mitgliedschaft erbringen zu können. „Böse wollte bundesweit beweisen, dass Berlin entschieden gegen Scientologen vorgeht.“ Künast sowie der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, plädieren für eine bedingungslose Aufklärung.
Dreksler war am 20. März 1998 in einem anoymen Schreiben bezichtigt worden, Führungskader bei den Scientologen zu sein. Er habe einen aussteigewilligen Polizeikollegen, den er bei Scientology getroffen habe, unter Druck gesetzt. Die Staatsanwaltschaft leitete deshalb gegen Dreksler ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Nötigung ein und durchsuchte dessen Wohnung und Diensträume. Belastende Indizien wurden nicht gefunden, dafür Disketten mit personenbezogen Daten von Polizeikollegen.
Zehn Tage später bescheinigte der Verfassungsschutz, dass Dreksler Mitglied der Scientologen sei. Der Polizeidirektor, der eine Mitgliedschaft vehement bestritt, wurde versetzt. Erst Monate später räumte der damalige Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) ein, dass eine Mitgliedschaft Drekslers bei den Scientologen nicht zu beweisen sei.
Nach Angaben von Kontraste hat der ermittelnde Oberstaatsanwalt Jürgen Heinke das Verfahren wegen Verdachts der Nötigung bereits am 17. Juni 1998 eingestellt. Am 20. Juli hätten Böse und Saberschinsky den Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Hans-Jürgen Karge, schriftlich aufgefordert „in geeigneter Weise auf eine Korrektur der Entscheidung von Oberstaatsanwalt Heinke hinzuwirken“. Heinke sei jedoch bei seiner Entscheidung geblieben.
Böse erklärte dazu gestern gegenüber der taz, er habe in dem Schreiben lediglich seine Bedenken dagegen zum Ausdruck gebracht, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen den Fund der personenbezogenen Daten von Polizisten in Drekslers Wohnung außer Acht gelassen habe. Weil Heinke nur wegen Nötigung aber nicht wegen des Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gegen den Polizeidirektor ermittelt habe, so Böse, habe er um eine neue rechtliche Würdigung gebeten. Plutonia Plarre
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