■ Das Portrait: Der Kühle mit Seele
Sicher der unkonventionellste Schritt in der Karriere des Jazztrompeters und -Flügelhornisten Art Farmer war die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Edgar Varese. Varese hatte Jazzer eingeladen, gemeinsam mit ihm frei zu improvisieren. Als er die Musiker aufforderte, wilder zu spielen und die ganze Kapazität ihrer Instrumente zu nutzen, murmelte Farmer: „Ich habe die Möglichkeiten dieser Trompete nie erschöpft, seit ich sie spiele, und jetzt kommt dieser Typ und will, dass ich das plötzlich in fünfzehn Sekunden mache!“
„Ganz ruhig, aber ein höllisch guter Spieler“: So zollte Miles Davis in seiner Autobiographie dem Kollegen Tribut. Art Farmer, der jetzt am 4. Oktober im Alter von 71 Jahren starb, hat insbesondere die lyrischen Möglichkeiten seines Instruments sehr wohl ausgelotet und oft das weichere Flügelhorn gegenüber der Trompete bevorzugt. Er pflegte seinen zugleich vollen und zurückhaltenden Ton und seine ruhige Spielweise, die nur selten mit schnellen Bop-Läufen abwechselte. Seine weiträumigen Soli waren durchdacht und meisterhaft ausbalanciert.
Seine kühlen, lyrischen Qualitäten kamen in den 50er und 60er Jahren insbesondere im eng verwobenen Zusammenspiel mit dem Baritonsaxophonisten Gerry Mulligan und dem Gitarristen Jim Hall zur Geltung. Etwas souliger klingen seine Aufnahmen mit dem Tenorsaxophonisten Benny Golson, mit dem zusammen er Anfang der sechziger Jahre ein relativ erfolgreiches „Jazztet“ leitete. Mit „Killer Joe“ hatte er 1962 einen kleineren Hit. In den letzten drei Jahrzehnten arbeitete Farmer viel in Europa, unter anderem mit der Bigband des Österreichischen Rundfunks, aber auch mit Combos. Die Qualität seiner Platteneinspielungen blieb konstant hoch. Seit 1968 lebte er in Wien.
Farmer, 1928 in Iowa geboren, hatte zunächst Klavier und Geige studiert, wechselte dann zu Tuba und Trompete. Er selbst schätzt den Einluß des relaxten Tenorsaxophonisten Lester Young auf sein Spiel hoch ein. 1945 zog er nach Los Angeles. Anfang der 50er Jahre wurde er bekannt als Mitglied einer Lionel Hampton Big Band, die als Kindergarten einer ganzen Generation moderner Jazzmusiker gilt: mit ihm spielten beispielsweise Quincy Jones und Clifford Brown. In dieser Zeit machte er auch seine ersten Aufnahmen als Leader.
Farmer selbst formulierte seinen Anspruch an sich und sein Spiel so: „Ich versuche, Stücke so zu spielen, wie ein Sänger singen würde – eine sehr gute Vokalistin wie Billie Holiday.“ bw/ci
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