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■  Großbritannien darf den chilenischen Ex-Diktator Pinochet an Spanien ausliefern. Im Falle einer Berufung könnte sich der Prozess jedoch hinziehen

Dublin (taz) – Augosto Pinochet darf nach Spanien ausgeliefert werden. Ein Londoner Gericht unter Vorsitz von Ronald Bartle entschied gestern, dass der Auslieferungsantrag für Chiles Ex-Diktator rechtlich zulässig und ausreichend begründet sei. Spanien wirft dem 83-jährigen Pinochet 35 Fälle von Folter und schwerer Körperverletzung vor.

Pinochet war vor knapp einem Jahr nach England gereist, um sich einer Rückenoperation zu unterziehen. Auf Grund des spanischen Antrags wurde er verhaftet und steht seitdem in einer Villa in der Grafschaft Surrey unter Hausarrest. Zum Prozess war er gar nicht erschienen: Er hatte vor zwei Wochen einen leichten Schlaganfall erlitten.

Bei den bisherigen Verhandlungen in anderen Instanzen hatte Pinochet auch stets aus gesundheitlichen Gründen gefehlt. Im März hatte das höchste britische Gericht entschieden, dass Pinochets Verhaftung rechtmäßig war. Allerdings beschränkten die Lordrichter die Anklagepunkte auf Fälle nach Dezember 1988. Damals trat in Großbritannien das Anti-Folter-Gesetz in Kraft.

Das Verfahren ist mit dem gestrigen Urteil noch lange nicht beendet. Pinochets Anwälte wollen bei Innenminister Jack Straw, der das letzte Wort über die Auslieferung hat, einen Antrag auf Freilassung aus humanitären Gründen stellen. Außerdem werden sie in den kommenden zwei Wochen mit Sicherheit Berufung einlegen. Der Prozess könnte sich noch zwei Jahre hinziehen.

Nach Bartles Urteilsverkündung brach vor dem Gericht Jubel unter den Demonstranten aus. Der chilenische Dramatiker Ariel Dorfman sagte: „Das ist nicht nur ein Sieg für das chilenische Volk, sondern auch für die Humanität. Die britische und spanische Justiz tun, was das chilenische Volk nicht tun konnte.“ Virginia Shoppee von der Menschenrechtsorganisation amnesty international sagte, sie sei über das Urteil hoch erfreut. Über die Anklagepunkte äußert sich amnesty jedoch nicht: Die Organisation fordert lediglich einen rechtmäßigen Prozess – schließlich handele es sich hier „um die wohl schwerste Anklage, die jemals vor einem englischen Gericht verhandelt wurde“.

Pinochets Anwälte argumentierten, dass die Anklagepunkte kaum mehr als Polizeibrutalität beinhalteten – „die Art, wie sie in demokratischen Staaten auf der ganzen Welt vorkommt“. Clive Nicholls, der Hauptanwalt, sagte, Elektroschocks seien keine Folter: „Ein sofortiger Tod ist keine Folter. Die Opfer können keine großen Schmerzen gehabt oder lange gelitten haben.“ Außerdem zog Nicholls das Verhalten der britischen Truppen in Nordirland als Vergleich heran: Den Opfern seien Kapuzen über den Kopf gezogen worden, sie wurden Lärm ausgesetzt, ihnen wurde Schlaf entzogen, und sie erhielten unzureichende Verpflegung und Wasser. Alun Jones, der die spanische Regierung vertritt, bezeichnete die Argumentation der Verteidigung als „Beleidigung“.

Peter Schaad, ein Geschäftsmann aus der Schweiz, der für Pinochet dolmetscht, wenn die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher zum Tee bei ihm vorbeischaut, sagte: „Wir werden unsere ganze Energie in die nächsten Schritte stecken.“ Thatcher, die gerade Vizepräsidentin der extrem rechten „Royal Society of St. George“ geworden ist, hatte am Mittwoch auf dem Tory-Parteitag eine flammende Rede für Pinochets Freilassung gehalten. Ralf Sotscheck

Kommentar Seite 12

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