piwik no script img

Haider bringt Klima in Erklärungsnot

Österreichs Bundeskanzler beruhigt das Ausland: Er will ohne den rechten Volkstribun regieren. Der FPÖ-Chef streitet im israelischen Fernsehen antisemitische Haltungen ab  ■   Aus Wien Ralf Leonhard

Noch hat Bundespräsident Thomas Klestil den Sozialdemokraten Viktor Klima gar nicht mit der Regierungsbildung beauftragt, denn noch sind gar nicht alle Stimmen ausgezählt. Aber bereits am Wochenende hat Noch-Bundeskanzler Klima in einem Telefonat mit Barak eindeutige Zusagen gemacht: „Wir werden Haider nicht in die Regierung nehmen.“ Und Barak, dem schon „Alarmglocken“ in den Ohren geklungen hatten, beschwichtigte: Wenn politisch alles beim Alten bliebe, denke niemand an einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Österreich.

Weniger beeindruckt vom Aufruhr in Israel zeigte sich Vizekanzler Wolfgang Schüssel. Gegenüber Außenminister David Levy betonte der ÖVP-Chef, die österreichisch-israelischen Beziehungen seien niemals Thema des Wahlkampfes gewesen. In der Unterredung, laut Wien ein „sachliches Gespräch“, von den israelischen Medien aber als „scharfer Wortwechsel“ kolportiert, verweigerte Levy sich dem Vorschlag, eine gemeinsame Erklärung zu den „guten Beziehungen“ beider Länder abzugeben. Um das Image seines Landes zu retten, schlug Schüssel, der eine Koalition mit Haiders FPÖ nie dezidiert ausgeschlossen hat, eine gemeinsame Erklärung aller Parlamentsparteien vor, dass Österreich „kein Nazi-Staat“ sei.

Die Aufregung, mit der Politik und Medien auf die israelische Kritik an Jörg Haiders Erfolg bei den Nationalratswahlen vom 3. Oktober reagieren, hat vergessen lassen, dass es von den 250.000 Briefwahlstimmen abhängt, ob Schüssels ÖVP oder Haiders FPÖ den zweiten Platz belegt.

Die zentrale Frage ist aber, wie Israel und die Weltöffentlichkeit reagieren, falls Haider trotz der Proteste aus Jerusalem doch in die künftige Regierung geholt wird. Schon warnen Kommentatoren, davor, abermals in die trotzige „Jetzt erst recht“-Haltung von 1986 zu verfallen, als Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt, wegen seiner Rolle beim Balkanfeldzug der deutschen Wehrmacht dann aber jahrelang vom Ausland geschnitten wurde.

Haider stellte sich derweil einem Interview des israelischen Fernsehens. Er erklärte, die israelischen Politiker täten gut daran, vor der eigenen Türe zu kehren und ihre Politik gegenüber den Palästinensern zu überdenken. Antisemitismus liege ihm fern und über Ausländer hätte er nie etwas Negatives gesagt: „Sie werden keine Aussage finden, wo mich an Ausländern etwas stört.“ Tatsächlich können ihm antisemitische Äußerungen nicht nachgewiesen werden, lediglich großes Verständnis für den Nazi-Terror, wenn er Konzentrationslager als „Straflager“ verharmlost oder SS-Veteranen als „Patrioten“ preist. Für seine viel zitierte Bemerkung über die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich habe er sich noch in der selben Landtagsdebatte entschuldigt.

Zumindest die israelische Journalistin, die das Interview per Satellitenschaltung führte, konnte Haider beeindrucken. Tatiana Hoffmann fand ihn „sehr charismatisch“. Auf den ersten Blick habe er „einen besseren Eindruck gemacht als erwartet“.

Auch in Straßburg und München ging Haider vor der internationalen Presse in die Gegenoffensive. Wie stets verstand es der Kärntner Landeshauptmann auch dort, seine Wortwahl dem Publikum anzupassen. Wer je seine Tiraden auf Wahlveranstaltungen gehört hat, wurde in München belehrt, dass von fremdenfeindlicher Kampagne keine Rede sein könne. Seine Partei trete lediglich für eine „verantwortungsbewusste Einwanderungspolitik“ ein. Vor der eigenen Klientel heißt das hingegen: „Null Einwanderung“.

Bundespräsident Klestil sprach in einer Presseerklärung von „übertriebenen Reaktionen“. Er könne „nicht widerspruchslos hinnehmen“, dass dem Land durch „ungebührliche Äußerungen“ Schaden zugefügt werde. Er erwarte von den ausländischen Medien „mehr Sorgfalt und Fairness.“ Jörg Haider empfing er wenig später mit der Begrüßung: „Servus, ich habe schon eine Stellungnahme abgegeben.“ Kurz danach bat Klestil auch Ariel Muzicant, den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde, zu sich, um, wie es hieß, zu überlegen, wie man der massiven internationalen Kritik am Wahlerfolg von Haiders FPÖ begegnen könne. Muzicant will sich dafür einsetzen, „das Feuer zu löschen“. Für ihn sei es entscheidend, „dass wir den Respekt zwischen den Menschen – egal welcher Hautfarbe, Herkunft oder Religion – verstärken.“

Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, der eine Tour durch die europäischen Hauptstädte angesagt hatte, um das Image Österreichs zu retten, wurde von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen. Seine Absicht, die Wahlmotive der 1,2 Millionen FPÖ-Wähler zu erläutern, könnten als Verteidigung Haiders aufgefasst werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen