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Kein kritisches Wort zu viel

Auf den SPD-Landesparteitagen in Hamburg und Schleswig-Holstein setzt sich Parteichef Gerhard Schröder mit scharfen Attacken gegen die Union in Szene   ■  Von Peter Ahrens

Hamburg (taz) – 63 Sekunden Beifall nach der Rede des Bundeskanzlers, 21 Sekunden weniger als zuvor für Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde – sagt das etwas aus? Allerhöchstens, dass die Partei ihren Vorsitzenden Gerhard Schröder eher respektiert als liebt.

Die beiden SPD-Landesparteitage in Hamburg und Schleswig-Holstein am Samstag waren für Schröder kein schwerer Gang. Stehende Ovationen am Vormittag für den Kanzler im Ostseebad Damp, wo sich die SPD Schleswig-Holsteins für die Landtagswahl am 27. Februar warm lief. Kein kritisches Wort zu viel gegenüber dem Parteichef mitten im Wahlkampf. Geschlossenheit – das Wort fällt in jedem zweiten Redebeitrag.

Im Norden kann man sich des Beifalls immer sicher sein, wenn es gegen die Bayern geht. Schröder weiß das und spielt die Karte genüsslich aus, indem er die Steuervorschläge der Union unter Federführung des bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zerpflückt. „CDU/CSU wollen weiter dafür sorgen, dass diese Generation aufisst, wovon unsere Kinder und Enkel leben sollen“, kommentiert er den Unionsvorstoß, die Neuverschuldung des Staates zu erhöhen. Und: „Die haben nur im Auge, wo man oben etwas absenken kann.“ Schröder hat die Delegierten schnell um den Finger gewickelt. Der Parteitag ist auf Linie und wählt dann noch Ministerpräsidentin Heide Simonis mit 151 zu 3 Stimmen zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl.

In Hamburg hat es Schröder nicht so leicht. Die siegesgewohnte SPD der Hansestadt ist unruhig geworden. Nach Umfragen hat der Bundestrend auch Hamburg erfasst. Die Sozialdemokraten wären zur Zeit bei Wahlen mit gehörigem Abstand nur zweite Kraft. Aber die nächste Bürgerschaftswahl ist ja erst in zwei Jahren, da kann man auch mal aus der Deckung gehen. Schröder tut sich bei seiner Rede zunächst schwer. „Das kann man doch mal beklatschen“, fordert er den Parteitag auf, als er aufzählt, was Rot-Grün an „sozialen Wohltaten“ geleistet habe. Die Delegierten applaudieren eher pflichtbewusst als begeistert.

Erst als Schröder den Gegner attackiert und sagt: „Wir werden nicht zulassen, dass die CDU den Sozialstaat zerschlägt“, macht er Boden gut. Die SPD-geführte Bundesregierung als Hüterin des Sozialstaates – das ist es, was die Delegierten hören wollen. Die Hamburger SPD gehört schließlich zu den Landesverbänden, die am heftigsten eine Vermögensabgabe zur Finanzierung des Sparpakets verlangen. Der Parteitag verabschiedet am Abend mit großer Mehrheit einen entsprechenden Leitantrag, der zudem Kritik am Schröder-Blair-Papier artikuliert.

Zur grundsätzlichen Ablehnung des rot-grünen Sparkurses mag sich aber auch in Hamburg niemand durchringen. So bleibt es wie üblich den Jusos in der Debatte um Schröders Rede vorbehalten, „zur Abwechlung mal etwas Kritisches“ zu sagen und das Sparpaket als „absolut unsozial“ zu verurteilen. Des Kanzlers Kommentar: „Vieles hat mich sehr an früher erinnert.“

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