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Zigeunerbaron, letzter Vorhang

Der Rückzug des Kultursenators Peter Radunski erleichtert die Verjüngung der Berliner Union. Als Favoritin für die Nachfolge des erfahrenen Wahlkampfmanagers gilt die Abgeordnete Monika Grütters – wenn die SPD das Ressort nicht für sich beansprucht  ■   Von Ralph Bollmann

Er galt als sichere Bank für den neuen Senat. Wann immer Namen für die Kabinettsposten gehandelt wurden – Peter Radunski war immer dabei. Allenfalls eine Rückkehr in die Bundespolitik, so schien es, könne den erfahrenden CDU-Wahlkampfmanager davon abhalten, erneut als Kultursenator anzutreten.

Doch Radunski will nicht mehr. Kaum hatten die Wahllokale am Sonntagabend geschlossen, da verkündete er: „Ich habe mich entschieden, dem nächsten Senat nicht mehr anzugehören.“ Auch politische Freunde zeigten sich überrascht von diesem Schritt. Als Grund führte der 60-jährige an, er müsse „etwas kürzer treten“. Gegewärtig gebe es „keine beruflichen Pläne“, die ihn zum Ausstieg aus dem Senat veranlasst hätten.

Womöglich könnte der Rückzug ihres profiliertesten Senators der CDU sogar gelegen kommen. Schließlich kann sie bei der Wahl in fünf Jahren nicht noch einmal mit der alten Mannschaft um Eberhard Diepgen antreten, der dann 19 Jahre im Amt sein wird. Oft hat Fraktionschef Klaus Landowsky die längst fällige Erneuerung des Personals angekündigt. Jetzt wäre der Zeitpunkt, neues Personal zu platzieren.

Für die Radunski-Nachfolge stünde eine Hoffnungsträgerin der Partei bereit. Auffallend häufig wird in letzter Zeit der Name der 37-jährigen Abgeordneten Monika Grütters genannt, wenn es um frische Köpfe für die Berliner Union geht. Grütters hat sich in Wissenschafts- und Kulturpolitik gleichermaßen ausgewiesen. Zuletzt war sie wissenschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, hauptberuflich kümmert sie sich aber bei der Bankgesellschaft Berlin um die Kulturförderung. Nebenbei lehrt sie als Honorarprofessorin an der Hanns-Eisler-Musikhochschule Kommunikationspolitik.

Die Kandidatin selbst schweigt dazu. An einen Job als Kultursenatorin denke sie zur Zeit „überhaupt nicht“, beteuert Grütters. Für die Regierungsbildung sei der Regierende Bürgermeister verantwortlich. In der Tat könnte es für Diepgen nicht leicht sein, Grütters als Vertreterin des liberalen Flügels in der eigenen Partei durchzusetzen. Der Zwang zum Stillhalten, dem die widerstreitenden Parteiflügel im Wahlkampf zähneknirschend folgten, ist seit Sonntag entfallen. Die konservativen Parteirebellen, die unter dem Signum „Union 2000“ im vergangenen Jahr den Aufstand probten, werden sich wieder zu Wort melden – und nach dem Wahlsieg ein schärferes CDU-Profil auch in einer neuerlichen Koalition mit der SPD einfordern.

Obendrein ist ungewiss, ob das Kulturressort überhaupt wieder an die CDU fällt. Zum großen Schrecken der Berliner Kulturschaffenden melden die Agenturen, Wahlverlierer Walter Momper sei womöglich auf den Posten erpicht. Aber auch ohne Momper wird die SPD den Kulturbereich beanspruchen, wenn die Union ihrerseits das Schulressort besetzt.

Für den Nachfolger wird es nicht leicht sein, in Radunskis Fußstapfen zu treten. Schließlich hat sich der ausgebuffte Taktiker, vom Theatermacher Claus Peymann liebevoll als „Zigeunerbaron“ verspottet, in der anfangs skeptischen Kulturszene durchaus Respekt verschafft. Während sein Vorgänger hilflos der Schließung des Schiller Theaters zusehen musste, konnte Radunski den Kulturetat weitgehend verteidigen. Kraft seines politischen Gewichts schaffte es der untersetzte Mann, virtuos mit den Etats zu jonglieren und auflaufende Defizite bisweilen schlicht zu ignornieren. Einem schwächeren Nachfolger könnten diese fragilen Konstruktionen leicht auf die Füße fallen.

Zuletzt stellte Radunski die Weichen für einen personellen Neubeginn an fast allen Berliner Bühnen. Der Senator holte Claus Peymann ans Berliner Ensemble, Udo Zimmermann an die Deutsche Oper, Thomas Ostermeier an die Schaubühne. Die Intendantensuche für das Deutsche Theater geriet allerdings zu einem peinlichen Gezerre, weil Radunskis eigener Staatssekretär die Verhandlungen hintertrieb.

Doch so sehr die Kulturpolitik für den CDU-Politiker eine Herzenssache ist, so sehr er von den „wunderbaren Melodien“ in der Operette schwärmen kann – sein eigentliches Metier ist die Organisation von Wahlkampagnen. Es gibt wohl kaum einen Politiker in Deutschland, der kompetenter über Wahlkämpfe reden kann als Radunski. Sein einschlägiges Handbuch, 1980 veröffentlicht, gilt noch immer als Standardwerk. In seiner Zeit als CDU-Bundesgeschäftsführer führte er weit mehr als hundert Wahlkämpfe. Bei der CDU führte er moderne Methoden der Kampagnenführung erst ein. Die Sozialdemokraten haben diese Lektion erst 1998 erfolgreich gelernt – während Helmut Kohl glaubte, auf Radunskis Dienste verzichten zu können.

Auch Diepgens Wahlsieg vom Sonntag war nicht zuletzt Radunskis Verdienst. Frühzeitig hatte der Kultursenator erkannt, dass der Bürgermeister nur mit einem radikal verjüngten Image den Kohl-Effekt vermeiden könnte. Ähnlich wie die Bundes-SPD etablierte er eine externe Wahlkampfzentrale, die er mit jungen Köpfen bestückte. Die Berliner Sozialdemokraten konnten mit ihrer wenig professionellen Kampagne wenig dagegen setzen.

Auf den Kultursenator Radunski mag die Union verzichten können. Den Rat des Wahlkampfmanagers wird sie weiter brauchen.

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