: Nach der Berliner Niederlage: Grüne wollen radikal werden
■ Berliner Grüne machen Bundesebene für die schwere Schlappe verantwortlich. Bundesspitze will sich stärker gegen die SPD profilieren
Berlin (taz) – Nach der verlorenen Wahl gehen die Berliner Grünen auf Konfrontationskurs gegen die Bundesspitze. „Die Politik der Bundestagsfraktion“ und die „Performance der Partei auf Bundesebene“ seien schuld am schlechten Abschneiden in Berlin – da waren sich die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast und die Berliner Landesvorsitzende Regine Michalik gestern einig. „9,9 Prozent sind eine Niederlage, da gibt es nichts schönzureden“, sagte Künast.
Bundesvorstandssprecherin Gunda Röstel stimmte zu. Die Grünen hätten verloren, „obwohl der Landesverband einer der fittesten ist und eine beliebte Spitzenkandidatin hatte“. Sie machte neben dem „negativen Bundestrend“ auch die „Personalquerelen“ für die Niederlage verantwortlich – ein Seitenhieb gegen Joschka Fischer, der sie vor kurzem als Sprecherin in Frage gestellt hatte. Die Grünen, so Röstel, müssten sich in Zukunft stärker profilieren und der SPD mehr Contra geben. Viele Wähler seien zur PDS abgewandert, weil die Grünen in ihren Augen nicht mehr „für soziale Gerechtigkeit“ stehen.
Die Spitzen von Partei und Fraktion einigten sich am Sonntag mit den drei BundesministerInnen auf eine Kursänderung gegenüber der SPD. In Zukunft will man sich auf drei Themen konzentrieren und diese offensiv auch gegen die SPD durchsetzen: Das wichtigste Thema sei die „soziale Gerechtigkeit“. Untere und mittlere Einkommen sowie Kleinunternehmer und Kleinaktionäre müssten steuerlich entlastet werden. Bei der Rentenreform wollen die Grünen einen „Kompromiss zwischen den Erwartungen der älteren und der jüngeren Generation“ finden.
Als zweites wichtiges Thema nannten die Grünen den Ausstieg aus der Atomenergie. Er müsse wieder zum „zentralen Projekt“ werden. Drittens sollten die Bürgerrechte in der Vordergrund der Parteiarbeit rücken. Zum Beispiel sollen schwule und lesbische Partnerschaften Ehen weitgehend gleichgestellt werden. Außerdem wollen sich die Grünen in der Flüchtlingspolitik profilieren.
Renate Künast ging mit der Bundestagsfraktion hart ins Gericht. Die Abgeordneten hätten mit ihrer Skepsis am Sparpaket viel zu lange hinter dem Berg gehalten: „Was an Kritik nötig war, kam viel zu spät.“ Sie warf den Abgeordneten vor, nicht kämpferisch genug aufzutreten. Verheerend sei, „dass einzelne Abgeordnete mit den gebrauchten Möbeln der FDP handeln“, sagte Künast.
Der innenpolitische Sprecher der Berliner Grünen, Wolfgang Wieland, griff im taz-Interview Fischer und Trittin an: „Madeleine Albright ist in Kreuzberg nicht wahlberechtigt“, kritisierte er den US-freundlichen Kurs des Außenministers im Kosovo-Konflikt. Umweltminister Trittins „einzige erkennbare Qualifikation“ sei, dass er als „Strömungshäuptling“ angetreten sei. Trittin habe „einen großen Anteil an der Malaise, in der wir uns befinden“. Tina Stadlmayer
Interview Seite 5
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