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Kein Protest, nur Erleichterung

In Pakistan ist von einem Putsch nur wenig zu bemerken. Die Soldaten sind in ihre Kasernen zurückgekehrt, kritisiert werden nicht sie, sondern der abgesetzte Premier Nawaz Sharif  ■   Von Bernard Imhasly

New Delhi (taz) – Die Soldaten hatten alles im Griff: Bei der Besetzung der wichtigsten Institutionen, wie Radio- und Fernsehstationen und die Flughäfen, ebenso wie bei der Umstellung der Häuser der Kabinettsmitglieder kam es zu keinerlei Zwischenfällen. Mitten in der Nacht trat General Pervez Musharraf vor die Fernsehkameras und bestätigte den Putsch. Dabei erwähnte er seine Absetzung als Chef der Streitkräfte durch Premierminister Nawaz Sharif mit keinem Wort. Das Eingreifen der Streitkräfte sei die letzte Möglichkeit gewesen, eine weitere Destabilisierung des Landes zu verhindern. Sharif, sagte er, habe die Institutionen des Landes systematisch zerstört, die Wirtschaft stehe vor dem Zusammenbruch.

Zum ersten Mal in der an Staatsstreichen nicht gerade armen Geschichte des Landes rief der General nicht das Kriegsrecht aus, das Parlament wird somit nicht aufgelöst, die Verfassung nicht außer Kraft gesetzt. Dies wurde in Pakistan als Zeichen dafür gesehen, dass Musharraf nicht mit Protestkundgebungen rechnete. Diese blieben denn auch aus, und im Lauf des gestrigen Tages normalisierte sich das Leben in den Städten und Dörfern, viele Soldaten wurden in ihre Kasernen zurückbeordert. Die Reaktionen von Passanten schwankten zwischen Gleichgültigkeit und Erleichterung, und nur in wenigen Fällen wurde Enttäuschung über den Rückschlag für die Demokratie deutlich. Das zeigt, dass Nawaz Sharif inzwischen einen großen Teil des in ihn gesetzten Vertrauens eingebüßt hatte, nachdem er im Februar 1997 mit einer überwältigenden Mehrheit ins Amt gewählt worden war. Der abgesetzte Premierminister blieb in Haft.

Auch in den Reaktionen von Politikern und prominenten Kommentatoren übertönte die Kritik an Sharif jene an den Militärs. Besonders deutlich tat dies die frühere Premierministerin Benazir Bhutto, die aus Angst vor ihrer Inhaftierung seit über einem Jahr in London lebt. Es sei Nawaz Sharif gewesen, der die Demokratie zerstört habe; General Musharraf, den sie als „gemäßigten Berufssoldaten“ bezeichnete, habe nun die Chance, diese wiederherzustellen. Auch Maleeha Lodhi, Chefredakteurin der Tageszeitung The News, erklärte, Sharif habe sich sein Schicksal selber zuzuschreiben. Sie sah drei Gründe, die zu seinem Sturz geführt hätten: die Art und Weise, wie er das Debakel bei den Kämpfen um Kaschmir der Armee in die Schuhe schob, obwohl er selbst sie zum Rückzug aufgefordert hatte. Außerdem erwähnte sie die autoritäre Führung durch den Premier, dem es jedoch nicht gelungen war, Recht und Ordnung im Land zu erhalten. Schließlich habe er es auch nicht fertiggebracht, die Staatsfinanzen zu sanieren.

Die Reaktionen im Ausland standen in teilweise scharfem Kontrast zu diesen Kommentaren. Mit Ausnahme Chinas, welches die Entwicklung lediglich beobachten wollte, kritisierten Politiker in ihrer großen Mehrzahl den Eingriff in den demokratischen Prozess. Das Commonwealth-Sekretariat erwog einen temporären Ausschluss Pakistans aus dem Verband. Auch die USA, die sich von den Ereignissen völlig überrascht zeigten, forderten die neuen Herrscher auf, so rasch als möglich wieder auf den Verfassungsweg zurückzukehren. Allerdings unterließ es ein Sprecher nicht, auch auf die antidemokratischen Tendenzen des Premiers hinzuweisen.

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