: Kaum Hoffnung auf Abrüstung
■ Zehn Jahre nach Ende des Ost-West-Konflikts liegen die Verträge zur Rüstungskontrolle auf Eis. Nach dem Kosovo-Krieg haben sich die Bedingungen weiter verschlechtert
Genf (taz) – Die Ablehnung des Atomteststopp-Abkommens (CTBT) durch den US-Senat wird weit reichende negative Folgen für die Abrüstungsverhandlungen im neuen Jahrhundert haben. Seit Gründung der USA 1776 ratifizierte der Senat 98,5 Prozent der 1.542 internationalen Verträge, die von der Administration ausgehandelt worden waren. Nur 20 Vorlagen scheiterten – zuletzt als der Senat im März 1920 die von der Wilson-Administration angestrebte Mitgliedschaft der USA im Völkerbund ablehnte. Die Abwesenheit der auch damals schon stärksten Macht der Welt war wesentliche Ursache für das Versagen des UNO-Vorläufers in den Konflikten der 20er- und 30er-Jahre und sein Auseinanderbrechen nach dem Austritt Nazideutschlands im Jahre 1936.
Die Ablehnung des CTBT durch den US-Senat könnte ähnlich gravierende Konsequenzen haben. Zunächst einmal für den Vertrag selbst, der nach seiner Aushandlung im Jahr 1996 von 154 Staaten unterzeichnet wurde und für sein Inkrafttreten der Ratifzierung durch alle 44 Länder bedarf, die nach Feststellung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung über Atomtechnologie verfügten. Nachdem Washington jetzt keine Führungsrolle mehr reklamieren und keinen Druck mehr ausüben kann, sind die – ohnehin nicht sehr rosigen – Chancen auf baldige Ratifikation durch die noch fehlenden 17 Staaten (darunter Russland, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea) weiter gesunken. Nach dem Militärputsch in Pakistan dürften sich die Voraussetzungen für verbesserte Beziehungen zu Indien und damit auch für eine CTBT-Ratifikation durch die beiden Nachbarstaaten noch verschlechtern. In Moskau ist bereits seit geraumer Zeit eine sinkende Bereitschaft zu atomarer Rüstungskontrolle und Abrüstung zu beobachten. Dies wurde zum Teil durch die Absicht der USA verursacht, den Raketenabwehrvertrag (ABM) von 1972 aufzukündigen. Aber auch die neue Nato-Strategie mit ihrem erklärten Festhalten an der atomaren Ersteinsatzoption sowie der Luftkrieg der Allianz gegen Jugoslawien haben zur ablehnenden Haltung Moskaus beigetragen. Die Ratifizierung des Start-II-Abkommens über die weitere Reduzierung strategischer Atomwaffen wurde von der Duma für unabsehbare Zeit auf Eis gelegt. Die kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen könnten zu einer weiteren Verhärtung führen.
Nordkorea wird den CTBT nach Einschätzung aller Experten nur unter dem Druck Chinas ratifizieren. Pekings Bereitschaft, diesen Druck auch auszuüben, ist jedoch nach dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien und dem Beschuss der chinesischen Botschaft in Belgrad deutlich abgekühlt.
Den Gegnern des CTBT im US-Senat werden diese absehbaren Entwicklungen künftig noch stärker als Beleg für ihre Behauptung dienen, der Vertrag sei „schludrig“ ausgehandelt und stünde im „Widerspruch zum nationalen Sicherheitsinteresse“ der USA. Mit Verweis auf Nordkorea behauptete der republikanische Mehrheitsführer Trent Lott in seiner Rede vor dem Senat, die Ausgangsbedingungen hätten sich seit Aushandlung des Vertrages erheblich verändert. Daher müssten die USA durch eine „Stärkung“ ihrer „atomaren Abschreckungskapazität“ auf „ neue Bedrohungen“ reagieren. Als Verharmlosung der tatsächlichen Widerstände erscheint der Versuch von Vizepräsident Al Gore, für das Scheitern des Vertrages eine kleine Gruppe „rechtsextremer“ Abgeordneter verantwortlich zu machen.
Das Scheitern des CTBT ist der – vorläufig – letzte Akt im Drama der enttäuschten Abrüstungshoffnungen seit Ende des Ost-West-Konflikts. Neben ABM- und Start-II-Abkommen wird auch der Atomwaffensperrvertrag wegen der nicht eingehaltenen Verpflichtungen der fünf anerkannten Atomwaffenmächte immer brüchiger. Zugleich sind neue Atomwaffengenerationen in der Entwicklung – vor allem, aber nicht nur, in den USA.
Andreas Zumach
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