piwik no script img

Borttscheller stolpert über Pufferbude

■ Akten belegen Borttschellers Unwahrheiten: Wie der Senator seine „schützende Hand“ über den strafrechtlich verfolgten Schausteller Renoldi hielt

Der frühere Bremer Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) „sagt laufend die Unwahrheit“, das ist das Fazit eines Besuches des Bremer Grünen-Abgeordneten Matthias Güldner in der Verwaltung. Abgeordnete haben das Recht, Auskunft über Verwaltungsvorgänge zu verlangen, und das hat der Abgeordnete getan. Seine Erkenntnis: Borttscheller, der den in der vergangenen Woche wegen Mordversuchs verurteilten Schau-steller Klaus Renoldi als Anwalt verteidigte, hat in seiner Zeit als Innensenator ganz deutlich für denselben Renoldi bei dem für die Schausteller-Zulassung zuständigen Stadtamt interveniert. Borttscheller hatte das bestritten und einmal gegenüber Buten&Binnen erklärt, seine „schützende Hand“ sei gar nicht erforderlich gewesen, weil auch die Verwaltung für die Zulassung von Renoldis Achterbahn zum Freimarkt 1998 gewesen sei. Gegenüber der „Hansawelle“ erklärte Borttscheller einen Tag später, nicht Renoldi, seine Familie habe die Anträge gestellt.

Beides ist nicht wahr und Bortscheller hatte sich persönlich so weit in die Vorgänge eingemischt, dass kaum vorstellbar ist, er könnte das alles ein knappes Jahr später schon „vergessen“ haben, sagt Güldner. Aus den Akten gehe hervor: „Borttscheller persönlich hat gegen den fachlichen und rechtlichen Rat in beiden Fällen dafür gesorgt, dass die Geschäfte von Klaus Renoldi trotz der eindeutigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bleiben konnten.“

Im Falle des Freimarktes lag der Widerruf der Zulassung Renoldis durch das zuständige Stadtamt fertig formuliert vor, Borttscheller hat am 19.8.1998 beim Stadtamt erwirkt, dass der Brief nicht abgeschickt wurde.

Auch im Falle des Weihnachtsmarktes 1998, für den Renoldi mit seiner „Pufferbude“ an einem lukrativen Standort zugelassen war, hatte das Stadtamt einen Widerruf formuliert. Da Renoldi seit dem Freimarkt in U-Haft saß, schien seine mangelnde Zuverlässigkeit im Sinne des Gewerberechts offenkundig. Da überbrachte die Tochter Renoldis einen Brief an Borttscheller persönlich, den Innensenator und Freund der Familie, indem sie mit Hilfe des Rechtsanwaltes Hammann mitteilte, dass in Wahrheit sie selbst schon seit längerem die Puffer-Bude auf dem Weihnachtsmarkt führe und insofern der von ihrem Vater gestellte Antrag übertragen werden sollte. Wenn der Brief an das zuständige Stadtamt gebracht worden wäre, erfuhren die Grünen, dann hätte das zwei Konsequenzen gehabt: Erstens wäre er als Eingeständnis einer (rechtswidrigen) Strohmann-Funktion Renoldis gewesen. Zum zweiten wäre der Antrag der Tochter als sehr spät gestellter Neuantrag gewertet worden, der kaum Chancen gehabt hätte. Als das Stadtamt dies Borttscheller klarmachte, erklärte der im Marktausschuss, er persönlich wolle mit dem Anwalt Hammann reden. Tags darauf kam das Ergebnis schriftlich: Hammann zog den Brief der Tochter praktisch zurück. Am 20.11. ging dann die Ankündigung des Widerrufs raus, konnte aber nicht rechtzeitig zugestellt werden, weil Renoldi in eine andere U-Haft verlegt worden war. Ergebnis: Die Pufferbude lief unter dem Namen „Klaus Renoldi“. Gegenüber der „Hansawelle“ hatte Borttscheller am 7.10. behauptet, über die „Unzuverlässigkeit“ des damals inhaftierten Renoldi habe Einigkeit bestanden, die Anträge zum Weihnachtsmarkt habe aber seine Frau gestellt. „Eindeutig gelogen“, sagt der Grüne nach seinem Besuch in der Behörde, wo ihm die Aktenvermerke vorgetragen wurden. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen