piwik no script img

Rot-grün-schwarze Machtspiele

■  Wer den Hauptstadtbezirk nach der Fusion regieren wird, ist offen. Um die Macht zu erhalten, kann sich Hans Nisblé (SPD) sogar ein indirektes Bündnis mit der PDS vorstellen

Im zukünftigen Hauptstadtbezirk Mitte-Tiergarten-Wedding regiert bald ein roter Rathauschef – oder ein schwarzer. Während in den meisten, ab Herbst 2000 durch Fusion entstehenden Bezirken die CDU den Bürgermeister stellen wird, ist völlig unklar, wer die neue Mitte führt. Um Mehrheiten zu erlangen, könnte es seitens der CDU und der SPD auch zu indirekten Bündnissen mit der PDS kommen.

Natürlich wollen die derzeitigen Bezirksfürsten, Joachim Zeller in Mitte und Hans Nisblé in Wedding, im nächsten Herbst, wenn aus 23 Bezirken 12 werden, beide den Hut im Mega-Bezirk aufhaben. Noch am Wahlabend kündigten sie unisono an, das Amt des Bürgermeisters übernehmen zu wollen. Der Bürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen, meldete sich gar nicht erst zu Wort – die Grünen haben in dem künftigen Großbezirk kaum mehr etwas zu sagen. Sie stellen künftig nur noch einen einzigen Stadtrat.

Beste Chancen hat im Moment Joachim Zeller, denn seine Partei wird in der neuen 89-köpfigen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die meisten, nämlich 35 Sitze, haben. Die CDU hat somit das Vorschlagsrecht für den Bürgermeistenposten. Doch eine erforderliche Mehrheit hat Zeller damit nicht. Er muss sich Bündnispartner, eine so genannte „Zählgemeinschaft“, suchen, die ihn mitwählt. In Frage kommt für ihn die SPD, die zukünftig 25 Sitze haben wird, oder die Grünen mit 13.

Doch Nisblé wird nur mit Zeller verhandeln, wenn seine Sondierungsgespräche erfolglos verlaufen. Der SPDler setzt fest auf die Bündnisgrünen, mit denen jedoch, wie er zugibt, eine „Menge Sachgespräche geführt werden müssen“, um ein besseres Klima herzustellen. Einigen sich Rote und Grüne, hätten sie immerhin 38 Sitze. Das reicht jedoch noch nicht aus. Will der Weddinger eine Mehrheit, muss er wohl oder übel auch mit der PDS verhandeln.

Die PDS offziell in das Boot der Zählgemeinschaft zu holen, davor schreckt Nisblé jedoch zurück. Er bedient sich lieber der versteckten Variante: „Eine Zählgemeinschaft mit der PDS schließe ich aus, aber wenn sie dennoch für mich stimmen, dann ist das Ordnung.“ Nisblé plädierte dafür, dass die SPD „in Kürze“ nicht nur im Bezirk, sondern auch auf Landesebene diskutieren müsse, wie die Partei mit dem „Phänomen“ PDS zukünftig umgehen werde. Joachim Zeller würde sich ebenfalls von der PDS mitwählen lassen, ein Zählgemeinschaft schließt er aber wie sein Konkurrent aus. „Das ist im Moment nicht realistisch.“

Die PDS ist sich durchaus bewusst, das sie das Zünglein an der Waage spielen könnte. „Wir haben uns bisher für keinen Kandidaten entschieden“, sagt die PDS-Chefin in Mitte, Sylvia Jastrzembski, lediglich. Eine bestimmte Präferenz gebe es noch nicht. Außerdem sei bis zur Wahl des Bürgermeisters noch ein Jahr Zeit. Jastrzembski war bei den letzten Bezirkswahlen 1995 in Mitte als Bürgermeistern von einer CDU-SPD-Grünen-Zählgemeinschaft verhindert worden – die PDS hatte 42,5 Prozent bekommen und war mit Abstand die stärkste Partei.

Auch die Grünen, durch die Wahlen zwar geschwächt, sind sich ihrer wichtigen Rolle für eine Zählgemeinschaft bewusst. Auch sie bleiben gelassen. Jörn Jensen: „Ich habe bisher noch keine Kontakte zur SPD und CDU geknüpft, dazu ist es noch zu früh.“ Jensen denkt pragmatisch: Die Grünen würden sich für den Bürgermeisterkandidaten entscheiden, der am meisten grüne Programmatik akzeptiere. „Ich halte mir alle Optionen offen.“ Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen