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Wahre Demokratie“ in weiter Ferne

Der neue Militärmachthaber Pakistans verspricht eine Rückkehr zur Demokratie. Einen Termin dafür nennt er allerdings nicht. Zunächst soll der Korruption der Kampf angesagt werden  ■   Aus Islamabad Bernard Imhasly

In einer Fernsehansprache hat der neue „Exekutivchef“ des Landes, General Pervez Musharraf, versprochen, er werde das Land wieder zur „wahren Demokratie“ zurückführen, nachdem die Zivilregierung diese pervertiert habe. Das Kriegsrecht werde nicht eingeführt, und die Armee werde nicht länger an der Spitze bleiben als „absolut notwendig“. Musharraf gab allerdings keinen Zeitplan an, in dem die Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie vollzogen werden soll.

Bis es nach Gutdünken Musharrafs so weit ist, soll an der Spitze des Landes ein Nationaler Sicherheitsrat stehen, der aus den Spitzen der drei Waffengattungen und vier Zivilisten für die Bereiche Äußeres, Wirtschaft, Recht und Inneres bestehen soll. Ihm ist ein Kabinett von Spezialisten angegliedert sowie ein Thinktank.

Im außenpolitischen Teil seiner Rede gab sich der General betont gemäßigt. Pakistan werde im Bereich seiner Nuklear- und Raketenpolitik Zurückhaltung üben, ebenso bei der atomaren Weiterverbreitung. Er befürworte die regionale Stabilität und Kooperation. Als „vertrauensbildende Maßnahme“ im Hinblick auf die Wiederaufnahme von „ergebnisorientierten Gesprächen“ mit Indien habe er seinen Truppen befohlen, sich aus ihren Vorwärtsstellungen an der indischen Grenze zurückzuziehen, sagte Musharraf.

Allerdings ließ er, wie zu erwarten war, bei der Frage von Kaschmir nicht locker: Die Freiheitskämpfer dort würden weiterhin auf die „moralische, politische und diplomatische Unterstützung Pakistans“ zählen können. Für Afghanistan wünsche er sich die Einrichtung „einer echten repräsentativen Regierung in Kabul“.

Die erste Priorität sieht Musharraf allerdings in der wirtschaftlichen Gesundung des Landes, und anfangen möchte er dabei mit dem Ausmisten des Korruptionsstalles. Bereits vor seiner Rede hatten die Maßnahmen der Militärs die Absicht gezeigt, von der alten Regierung Rechenschaft zu verlangen. Die Konten aller Parlamentarier und anderer politischer Persönlichkeiten wurden beschlagnahmt, über 500 Funktionäre in hohen Verwaltungs- und Wirtschaftsstellen wurden ersetzt, 18 Botschafter – Freunde und Verwandte des abgesetzten Premierministers Nawaz Sharif – wurden abberufen, und zusätzlich zu den bereits in Schutzhaft“ befindlichen Ministern wurden weitere dem ehemaligen Premier nahestehende Politiker unter Arrest gestellt.

Neben den Bankkonten wurden auch Büros von Ministern versiegelt, und Offiziere begannen mit dem Durchforsten von Akten. Die Stoßrichtung ist klar. Die Aufdekkung der Korruptionsfälle dürften der Armee als Grundlage dafür dienen, Politiker unter Anklage zu stellen und sie von jeder zukünftigen politischen Tätigkeit auszuschließen. Die Medien haben begonnen, Details über die wichtigsten Politiker auszugraben, deren Veröffentlichung die Regierung Sharif mit Hetzkampagnen verhindert hatte. Daraus wird ersichtlich, dass hunderte von Politikern – sowohl aus der Partei Sharifs wie jener von Benazir Bhutto – den Staat als Selbstbedienungsladen betrachtet haben.

Die beliebteste Form der Bereicherung war die Plünderung der staatlichen Banken, die aufgrund politischen Drucks Millionenkredite für nichtexistente Projekte gaben und ihr Geld nie wiedersahen. Laut einer Zusammenstellung der Zeitung News sollen die überfälligen Ausstände in der zweijährigen Regierungszeit von Nawaz Sharif von 34 Milliarden auf 220 Milliarden Rupies (rund 641 Millionen DM) gestiegen sein. Zu den größten Sündern gehört der abgesetzte Premierminister selber. Die Familie Sharifs besitzt 23 Unternehmen – Textil, Zement, Zucker, Stahl, Düngemittel – mit hunderten von Fabriken. Sharif zahlt weder Einkommens- noch Vermögenssteuer. Es verwundert nicht, dass Sharif seinen Freund Saifur Rehman, einen berüchtigten Geschäftemacher, zum Vorsitzenden der Antikorruptionskommission ernannt hatte.

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