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Kiez-Konzept contra Klemanns Chaos

Das „Verkehrskonzept Friedrichshain-Ost“ überzeugt bei der Präsentation auch Experten  ■   Von Lars Klaaßen

Wen interessiert eigentlich das Geklotze? Großflughafen, Tiergartentunnel und Transrapid kosten eine Menge Geld und erzeugten schon so manchen Skandal, sind ansonsten aber für Didi, Stulle, Hertha und Co. genauso aktuell wie die taz von vorgestern. Aber wie kommt der Kurze unbeschadet in die Schule? Wo parkt der Nachbar schon wieder sein Auto? Kann ich mich mit dem Fahrrad noch zum Einkaufen auf die Straße trauen? Diese Fragen erscheinen den Eingeborenen der 23 Bezirke wesentlich drängender als irgendein Hightech-Projekt. Probleme vor Ort gibt es zu Genüge. Ihre Lösung selbst in die Hand zu nehmen bietet sich geradezu an – das dachten sich zumindest eine Hand voll Friedrichshainer, die im September ein Verkehrskonzept für den gesamten östlichen Friedrichshain vorstellten.

Das Konzept, auf neun Seiten in einer Broschüre präsentiert, dient zunächst als Diskussionsgrundlage: „Wir wollen niemanden mit einem fertigen Paket überfahren“, erläutert Christian Lindemann, einer der Initiatoren von der Arbeitsgruppe Verkehr der AG Kiezentwicklung. Bereits während der Erarbeitung des Konzepts wurde mit verschiedenen Betroffenenvertretungen diskutiert. Auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 14. September wurde nicht nicht nur den Anwohnern das Projekt präsentiert, auch die Friedrichshainer Baustadträtin Martina Albinus-Kloss (parteilos) und die BVG nahmen erstmals offiziell vom Verkehrskonzept Kenntnis.

Albinus-Kloss zeigte sich auf der Podiumsdiskussion von den Vorschlägen der Arbeitsgemeinschaft angetan: „Es ist lobenswert, dass in diesem Papier verschiedene Initiativen und Interessen zusammengeschlossen wurden. Das Material ist so gut, dass es sich lohnt, einen Runden Tisch ins Leben zu rufen, der die Ansätze konkret weiter entwickelt.“ Die Baustadträtin könne sich vorstellen, dabei zu moderieren, „oder wir finden einen Verkehrsexperten, der diese Aufgabe übernimmt“.

Die Initiatoren knüpften bewusst an bereits bestehende Planungen und die bisherige Verkehrspolitik im Bezirk an: „In den letzten Jahren sind ja bereits einige Schritte in die richtige Richtung getan worden“, erläutert Lindemann. So werden die Anlage von Fahrradstreifen wie in der Proskauer Straße, die Reparatur bereits vorhandener Radwege, Querparken in kleineren Straßen und vorgebaute Kreuzungen im Konzept positiv hervorgehoben. Die Einstufung des größten Teils der Wohngebiete als Tempo-30-Zone geht der AG Kiezentwicklung allerdings nicht weit genug. Sie mahnt mehr Konsequenz in Form von Spielstraßen an. Der künftige Fusionsbezirk Kreuzberg dient den Initiatoren prinzipiell als Vorbild: Der Nachbarbezirk habe bereits ein durchgängiges Leitbild, das den Vorrang des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung des Fahrradverkehrs und die Sicherheit der Fußgänger voran bringe. Der Görlitzer Park wird als nachahmenswerter Bürgerpark gepriesen, der die umliegenden Kieze miteinander verbinde. Diese Grünanlage sucht im Friedrichshain jedoch allein hinsichtlich der Fläche Ihresgleichen.

Aber auch in heimischen Gefilden wurden die Planer fündig. Als vorbildlich für den östlichen Friedrichshain wird der Weg vom U-Bahnhof Samariterstraße in den südlichen Wohnkiez bezeichnet. „Fußgängertrassen mit durchgängig gesicherten Fahrbahnüberwegen wie Zebrastreifen und Fußgängerampeln“, so Lindemann, „sollten ausgebaut werden.“

Der Weg zu einem „familienfreundlichen, behindertengerechten und barrierefreien Friedrichshain“ soll nicht zuletzt durch die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs erreicht werden. Die Erweiterung des Straßenbahnliniennetzes ist einer der zentralen Punkte des Konzepts. Unter anderem wird die Verlängerung der Straßenbahntrasse vom bisherigen Endpunkt Warschauer Brücke über das Wriezener Karree bis zum Ostbahnhof vorgeschlagen. Der Neubau dieser Strecke dürfte jedoch kaum zu ralisieren sein, da vom Senat eine Anbindung des Fernbahnhofes vom Platz der Vereinten Nationen über die Straße der Pariser Kommune geplant ist. Doch die BVG zeigte sich an dem Konzept trotzdem interessiert. „Der Ausbau des Straßenbahnnetzes liegt auch in unserem Interesse“, so BVG-Pressesprecherin Barbara Mansfield, „auch wenn wir im Detail abweichende Vorstellungen haben.“ An einem Punkt sind sich die Beteiligten weitgehend einig: Nach dem Umbau des Ostkreuzes, das einen Regionalbahnsteig erhalten soll, wird der Knotenpunkt auch von der Straßenbahn angefahren.

Kontakt: Christian Lindemann, Telefon (030) 292 31 90 oder Freke Over, Telefon 292 37 56.

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