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Erste Siedlungen werden geräumt

■ Kompromiss zwischen israelischer Regierung und Siedlerrat sieht Abzug und Baustopp vor. Radikale Siedler dagegen

In den nächsten zwei Wochen will die Regierung von Ehud Barak zwölf Siedlungen im Westjordanland räumen lassen

Jerusalem (taz) – Über Stunden verzögerte sich gestern die Räumung des ersten Siedlung in Kochaw Haschachar, wenige Kilometer nördlich der palästinensischen Stadt Ramallah. Obschon der fragliche Stützpunkt nicht bewohnt war, versammelten sich einige Siedler, um einem zivilen Räumungswagen die Zufahrt mit aufgehäuften Steinen zu versperren. Der Führung des Rates von JESCHA (Initialwort für Judäa, Samaria und Gaza) war es nicht gelungen, mit den Bewohnern der illegal errichteten Containersiedlungen im Westjordanland einig zu werden. „Heute ein Stützpunkt, morgen Jerusalem“, stand auf einem Plakat der Demonstranten, die die Kompromißlösung zwischen der „JESCHA“-Führung und der Regierung nicht akzeptieren, der eine Räumung von zwölf anstelle der ursprünglich geplanten 15 Containersiedlungen „aus freien Stücken“ vorsieht.

Auf palästinensischer Seite wird die Räumung der Siedlungen ohne jede Euphorie beobachtet. Stattdessen ist von einem „faulen Kompromiß“ die Rede. Während nur zwölf Siedlungen geräumt werden, blieben „dutzende andere, die nach dem Wye-River-Abkommen errichtet wurden, bestehen“, schreibt die palästinensische Tageszeitung Al Quds. Tatsächlich wurden nach dem Abkommen, in dem sich Israel dazu verpflichtete, keine neuen Siedlungen zu errichten, noch über 40 Stützpunkte gegründet. Regierungschef Ehud Barak sucht jetzt nach einer Formel, die auf möglichst breite Zustimmung stoßen soll. Neben der Räumung von Siedlungen wurde ein Baustopp für anderen Stützpunkte verhängt. Eine Reihe von kleinen Niederlassungen, die in unmittelbarer Nähe zu bereits bestehenden Siedlungen stehen, werden „eingemeindet“. Der palästinensische Kulturminister Jassir Abed Rabbo bezeichnet dennoch die Einigung zwischen der israelischen Regierung und den jüdischen Siedlern als „grünes Licht, den Siedlungsbau fortzusetzen“. Er fordert die Räumung sämtlicher Siedlungen, die „Ariel Scharon nach Vertragsunterzeichnung gründen ließ“.

Jassir Abed Rabbo wird voraussichtlich die palästinensische Delegation bei den End-Status-Verhandlungen leiten. Dort soll schließlich auch über die Zukunft der bereits bestehenden rund 160 jüdischen Siedlungen beraten werden. Ebenfalls mit Blick auf die in Kürze beginnenden Gespräche führt die Einigung zwischen der Regierung Barak und der Führung der jüdischen Siedler zu einer gewissenen Beruhigung im rechts-nationalen Lager. „Wenn das Abkommen über die Räumung der Wohncontainersiedlungen in vollem Umfang vollzogen wird, haben wir es mit einer Neuorientierung der Barak-Regierung zu tun“; schreibt die national-religiöse Tageszeitung HaZofeh und begrüßt die „Legitimation der jüdischen Präsenz“ durch eine Regierung der Arbeitspartei. Unklar bleibt, inwieweit sich der radikale Zweig der jüdischen Siedler, die Bewegung „Die nächste Generation“, an die Kompromisse halten wird.

Zusätzlich aufgestachelt werden die überwiegend jungen religiösen Siedler von einer Gruppe Rabbiner, die bereits im Anschluß an die Wye-River-Verträge mit Halacha-Paragraphen, also jüdischer Gesetzschreibung, gegen die „Übergabe von Gebieten in Erez-Israel in die Hände von Goyim“, von Nichtjuden, predigen.

Die Räumung der zwölf Containersiedlungen soll innerhalb der kommenden 14 Tage vorgenommen werden, vier davon noch in dieser Woche. Die erste bewohnte Siedlung wird heute wenige Kilometer südlich der Stadt Hebron geräumt. Mit intensivem Widerstand wird indes erst kommende Woche in Chawat Maon zu rechnen sein. Dort lebt der harte Kern der jungen Siedler. Susanne Knaul

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