Ein Prozent Gentech im Popcorn? Muss keiner wissen

■ Brüssel berät, ab wann Soja und Mais als genmanipuliert gekennzeichnet werden müssen

Berlin (taz) – Heute erfüllt die EU-Kommission der Industrie einen schon seit langem vorgetragenen Wunsch. Lebensmittel sollen künftig bis zu einem Prozent an gentechnisch veränderten Verunreinigungen enthalten dürfen, ohne dass sie für den Verbraucher als gentechnisch manipuliert kenntlich gemacht werden müssen. Vorerst, so sieht die von dem Kommissar für Landwirtschaft und Fischerei, Erkki Likanen, vorgelegte Verordnung vor, soll diese Regelung nur für gentechnisch veränderte Mais- und Sojaprodukte gelten.

Sollte der Ständige Lebensmittelausschuss, in dem die Fachbeamten der EU-Mitgliedsstaaten sitzen, heute den Ein-Prozent-Grenzwert gutheißen, gilt das als Vorentscheidung auch für andere Gentech-Lebensmittel. Die Verordnung muss dann noch vom europäischen Ministerrat und dem Parlament gebilligt werden.

„Wir sind froh, dass diese Regelung endlich kommt“, sagt Peter Loosen, Jurist beim Bundesverband für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) in Bonn. In der Vergangenheit mussten Lebensmittelhersteller häufig feststellen, dass, obwohl sie ausdrücklich gentechnikfreie Soja- oder Maisprodukte geordert hatten, diese geringe Mengen an genmanipulierten Verunreinigungen enthielten. Nach den bisher bestehenden Vorschriften hätten sie diese als gentechnisches Erzeugnis auszeichnen müssen. Da sie befürchteten, dann sofort von Greenpeace oder anderen Anti-Gentech-Gruppen mit einer Boykottkampagne konfrontiert zu werden, mieden immer mehr Hersteller und Supermarktketten die genmanipulierten Lebensmittel.

Gentech-Verunreinigungen sind jedoch mittlerweile fast unvermeidlich. So besteht die Sojaernte, die derzeit in den USA eingefahren wird, bereits zu über der Hälfte aus genmanipulierten Bohnen. Da reicht es schon aus, konventionelle Sojabohnen in einem Schiff zu transportieren, das zuvor manipulierte Produkte enthielt. Auch durch Pollenflug von einem benachbarten Feld kam es wiederholt zur Verunreinigungen – diese sind zwar nur geringfügig, können aber dazu führen, dass der Abnehmer die Annahme verweigert.

Der BLL, der hierzulande fast die gesamte Lebensmittelbranche vertritt, hatte einen Grenzwert von zwei Prozent gefordert. „Uns geht es um eine praktikable Lösung“, erklärt Loosen. „Wichtig ist, dass endlich eine Regelung kommt.“ Auch die Gentech-Expertin von Bündnis 90/Die Grünen, die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer, begrüßt, dass die Kommission „nach langer Untätigkeit“ endlich aktiv geworden sei. Sie hält den Grenzwert von einem Prozent jedoch für „völlig willkürlich und zu hoch“. Um die unbeabsichtigten Verunreinigungen zu regeln, hätte auch ein Grenzwert von 0,1 Prozent ausgereicht – „so wie er auch inzwischen von einigen Supermarktketten und dem EU-Mitglied Großbritannien gefordert wird“. Das wäre auch technisch machbar.

Völlig unverständlich findet Breyer jedoch, dass die Regelung nur für Soja und Mais gelten soll und zahlreiche andere Gentech-Produkte, zum Beispiel gentechnisch hergestellte Enzyme, außen vor bleiben. Wolfgang Löhr